11. August 2023

Wie Funktioniert das Gewehr G11, Antriebs- und Verschlusssystem

Das Gewehr G11 gilt als eine der kompliziertesten Feuerwaffen der Welt. Bricht man jedoch dessen Funktionszyklus auf die wichtigsten Abläufe und Elemente herunter ist das System des stoffschlüssig-dynamischen Walzenverschluss gar nicht mehr so schwer zu verstehen.

Deswegen nähern wir uns nun Schritt für Schritt dem Mythos G11.

Der Modus Operandi dieser Waffe lässt sich am ehesten beschreiben als ein Mehrlader, welcher mit der Funktion eines Transporters vereint wurde. Ziel war es eine kompaktes Kernsystem zu schaffen, welche lafettiert im Waffengehäuse nach hinten gleiten kann. Dadurch ist es der Waffe möglich, mehrere Schüsse abzugeben, bevor der Rückschlag den Schützen erreicht.

Bild 1: Die Waffe ist geladen, es befindet sich eine Patrone im Patronenlager, welches in eine drehbare Walze geschnitten ist. Weitere Patronen befinden sich im Magazin über dem Patronenlager. Die Patronen sind mit dem Geschoss nach unten gelagert.

Bild 2: Der Schütze krümmt den Abzug durch, worauf der Schlagbolzen auf das Zündhütchen der Patrone trifft. Die Zündflamme entzündet eine Setzladung welche oft fälschlicherweise als Booster bezeichnet wird. Dabei ist die Aufgabe dieser Ladung nicht das entzünden der weiteren Treibladung, welche das Geschoss umgibt, sondern das setzen des Geschosses. Der Druck der setzladung wirkt sowohl auf den Geschossboden, als auch auf den Stoßboden des G11. Beim Stoßboden der Waffe handelt es sich um ein Teil des Kernsystems, die Waffe ist stoffschlüssig verriegelt, der Gasdruck ist nicht in der Lage den Stoßboden zu bewegen. Das Geschoss hingegen wird vom Gasdruck aus der ihm umgebenen Hauptladung heraus getrieben. Dies muss geschehen, bevor die Hauptladung zündet, käme es verfrüht zur einer Zündung der Hauptladung, würde der entstehende Gasdruck allseitig auf das Geschoss einwirken und könnte dieses nicht beschleunigen. Da jedoch das Geschoss von der Setzladung in den Übergangskonus des Laufes getrieben wurde, fungiert es dort als eine Art Pfropfen.

Bild 3: Durch die von der Setzladung erzeugte Wärme, zündet nun auch die Hauptladung, mit einer Zeitlichen Verzögerung. Das von der Setzladung in den Übergangskonus des Laufes getriebene Geschoss, wird nun von den wesentlichen stärkeren Pulvergasen der Hauptladung am Geschossheck beaufschlagt und durch den Gasdruck durch den Lauf des G11 getrieben. Da mit dem Geschoss eine erhebliche Masse beschleunigt wird, kommt es nach dem dritten Gesetz nach Issac Newton zu einer Gegenreaktion. Diese Gegenreaktion nutzt die Pulvergassäule im Lauf als fluidmechanischen Körper, um auf den Stoßboden des G11 zu wirken. Im Gegensatz zum direkt wirkenden Gasdruck, ist die Gegenreaktion der Geschossbewegung, auch bekannt als Geschossrückstoß, dazu in der Lage den Stoßboden nach hinten zu treiben. Da das Kernsystem des G11 im Waffengehäuse beweglich gelagert ist, wird nur das Kernsystem bedeutend nach hinten bewegt, wobei das Waffengehäuse relativ still steht. Der Schütze bekommt vom Rückstoß nicht mit.

Bild 4: Das Geschoss passiert eine Gasentnahmebohrung, welche unten im Lauf angebracht ist. Die hochgespannten Pulvergase nutzen diese Möglichkeit zur Ausdehnung und gelangen durch die Bohrung in einen Gaszylinder, dort beaufschlagen sie alle umliegenden Flächen. Bei der hinteren Fläche, handelt es sich um die Stirn eines Antriebskolbens, welcher vom Gasdruck nach hinten getrieben wird. Der Antriebskolben ist über einer Pleuelstange mit dem Zahnradsystem des G11 verbunden und sorgt über diese dafür, dass die Walze, mit der darin eingeschnittenen Patronenkammer, gedreht wird. Das Antriebssystem des G11 ähnelt dabei einer Dampfmaschine, welche die hin und her Bewegung des Dampfkolbens in eine Drehbewegung des Schwungrades umwandelt.

Realisiert wurde das schnelle aufrichten des Patronenlagers über ein Malteserkreuzgetriebe, welches das ruckartige Drehen der Walze binnen weniger Millisekunden ermöglicht. Während des dieses, durch lokale Gaskraft angetriebenen Vorgangs, läuft das Kernsystem des G11 weiter zurück. Möglich ist dieses, da Gaskräfte lokal begrenzt arbeiten, was man mit einer Dampflock vergleichen kann, welche durch den Dampfdruck auch dann angetrieben werden kann, wenn sie sich mit hoher Geschwindigkeit auf Schienen bewegt.

Bild 5: Das Geschoss hat den Lauf der Waffe verlassen und die Walze mit Patronenlager wurde durch das Malteserkreuz vollständig aufgerichtet und zeigt nun mit seiner Öffnung nach oben zum Magazin. Ein Schieber welcher die nächste Patrone ergreift hat nun die Möglichkeit, angetrieben durch das Zahnradsystem des G11, diese neue Patrone von oben in das Patronenlager in der Walze zu schieben. Vorher kommt jedoch ein zweiter kleiner Schieber zum Einsatz, welcher nach dem Aufstellen einmal kurz durch das Patronenlager fährt. Der Sinn hinter diesem Entladeschieber ist, dass entladen einer nicht ganz leer geschossenen Waffe oder die Entfernung einer Blindgängerpatrone. Das Kernsystem des G11 läuft dabei immer noch im Gehäuse zurück.

Bild 6: Der Ladeschieber hat die neue Patrone vollständig in das Patronenlager in der Walze eingeführt. Es ist festzustellen, dass es sich durch diesen Sachverhalt beim G11 um einen Schieberlader handelt. Die Patronen werden also nicht von der Stirn eines zurücklaufenden Verschlusses erfasst, sondern von einem Schieber in das Patronenlager geschoben. Da auf diese Weise auf einen zurücklaufenden Verschluss verzichtet werden konnte, konnte das Kernsystem sehr kompakt gebaut werden, was den Rücklauf im Waffengehäuse erst ermöglichte. Das Kernsystem des G11 läuft auch dabei immer noch im Gehäuse zurück.

Bild 7: Durch die Rückstellfeder des Gaskolbens, werden die meisten vorher durch des Gasdruck angetriebenen Bewegungen im System revidiert ergo in umgekehrter Bewegungsrichtung erneut ausgeführt. So wird unter anderem die Walze mit Patronenkammer, vom Malteserkreuzgetriebe schlagartig wieder in die ursprüngliche senkrechte Position gebracht. Auf diese Weise wird die neue Patrone mit dem Geschoss vor den Lauf gebracht und befindet sich so in Abschlussposition. Es kommt also zu einer Präsentation durch eine Bewegung des Patronenlagers relativ zum Lauf. Dass G11 zählt somit primär zu den Transportern und sekundär zu den Mehrladern.

Bild 8: Beim Rücklauf des Kernsystems im Waffengehäuse hat die, mit dem Waffengehäuse verbundene, Abzugsgruppe die Kontrolle über das, mit dem Kernsystem verbundene, Zündsystem des G11 verloren. Wurde diese jedoch vor der ersten Schussabgabe auf den mechanisierten Feuerstoß eingestellt, übernimmt der Rücklauf des Kernsystem die Aufgabe der Schussauslösungssignalgebung. Beim Rücklauf des Kernsystems berührt ein Element im feststehenden Waffengehäuse das Zündsystem des G11 und es kommt, noch während des Rücklaufes, zu einer erneuten Schussabgabe. Der Ablauf dieses Schusses ist weitgehend mit der des Erstschusses identisch, nur der Rücklauf des Kernsystems ist weiter vorgeschritten. Beim, durch den Rückstoß des zweiten Schusses, weiter angetriebenen Rücklaufes, kommt es zu einer erneuten Betätigung des Zündsystems und zu der Abgabe eines dritten Schusses, welcher ebenfalls nach dem gleichen Muster verläuft. Auch dieser Schuss treibt den Rücklauf des Kernsystems weiter an, nur trifft dieses mal das Kernsystem auf die Rückwand des Waffengehäuses, erst jetzt ist für den Schützen ein Rückschlag zu spüren, da das Kernsystem, bei seinem Anschlag an die hintere Wand des Waffengehäuses, einen Großteil seiner, während der drei Schüsse aufgenommenen, Bewegungsenergie auf das Gehäuse übertragt. Vor diesem Anschlag ist für den Schützen der Rückstoß der drei abgegebenen Geschosse kaum zu merken. Die Waffe bliebt während der drei ersten Schüsse erstaunlich stabil, was das eigentlich Ziel der Konstruktion ist.

Der Text erschien erstmals am 8. Mai 2023 als Artikel HK G11 im Waffen-Wiki und erscheint mit freundlicher Genehmigung vom Mitautoren Helmut Knittelfeld.

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