27. Dezember 2022

Warum hat das MG3 eine niedrigere Feuergeschwindigkeit als das MG42?

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zum leider recht selten gewordenen Fall, in dem ich eine Frage beantworte, weil ich diese immer wieder bekommt.

Warum hat das MG3 eine niedrigere Kadenz als das MG42?

Das System beider Waffen ist praktisch ein Hybrid aus Rückstoß- und Gasdrucklader. Und da muss man sich natürlich erstmal fragen, ob das System der Waffe nicht einfach bei dem einen Modell stärker angetrieben wird. Also sehen wir uns einfach mal die Quelle des Antriebes an, das ist bei beiden jeweils eine Einheitspatrone und zwar:

MG42: 7,92x57mm IS

MG3: 7,62x51mm NATO

Das war ja einfach, zwei verschiedene Patronen. Dann gucken wir mal, was die beiden Modelle für einen Rückstoß haben. Dazu sehen wir uns einfach mal schnell Geschossgewicht und Mündungsgeschwindigkeit an:

7,92mm IS = 12,8 Gramm bei 760 m/s = ~3,670 Joule

7,62 NATO = 9,5 Gramm bei 780 m/s = ~2,900 Joule

Also haben wir beim MG42 schon mal einen stärkeren Antrieb für den Rückstoßpart. Wer nicht komplett unter die Querflintendenken gegangen ist und den ersten Hauptsatz der Thermodynamik akzeptiert, der weiß, dass für eine energischere Beschleunigung auch mehr Gasdruck benötigt wird. Von daher kann man davon ausgehen, dass auch das Gassystem des MG42 von einem höheren Gasdruck angetrieben wird.

Also einfache Antwort:

Die Patrone des MG42 hat einfach mehr Rückstoß und Gasdruck.

Die kompliziertere Antwort muss jedoch noch gegeben werden, denn ein MG3 ist mehr als nur ein auf 7,62x51mm NATO umgekammertes MG42. Nach dem Krieg waren die Pläne für das MG42 verloren und Rheinmetall müsste das MG3 anhand von vorhandenen MG42 rekonstruieren, dabei wurde unter anderem ein anderer Rückstoßverstärker entwickelt und die Verschlusskonstruktion leicht abgehändert.

Aber was ist jetzt mit der NATO-Bremse? 

Die ist eine Erfindung von fantasievollen Bundeswehrsoldaten. Das besagte Bauteil ist eigentlich nur eine Verschlusssperre, welche Verschlussrückprall verhindern soll und die Feuergeschwindigkeit gerade mal um schlappe 50 Schuss die Minute senkt, weil dies eben auch nicht ihre Aufgabe ist.

Dazu als Quelle: Soldat & Technik 11 vom November 1961 Seite 604

15. Dezember 2022

Waffenfunktion: Rückstoßlader mit zurückgeleitendem Waffengehäuse gegen bewegliche Kolbenplatte, Vertikalriegelverschluss

Funktionsbeschreibung eines Feuerwaffenverschlusssystems. Angetrieben durch den Geschossrückstoß mit Wirkung auf das Waffengehäuse. Verriegelt durch Vertikalriegel. Verwendet bei einem von Hiram Maxim modifizierten Unterhebelrepetierer, mit anderem Verriegelungselement.

Kinematik: Rückstoßlader mit beweglicher Kolbenplatte

Bild 1: Die Waffe ist geladen und befindet sich in Ruheposition

Bild 2: Der Schuss bricht, das Treibmittel in der Brennkammer der Patronenhülse setzt sich in Treibgase um. Diese Gase stehen unter einem hohen Druck und beaufschlagen alle begrenzenden Flächen. Die auf das Geschossheck wirkenden Pulvergase treiben das Geschoss aus dem Mund der Patronenhülse heraus. Die nach hinten auf den Patronenhülseninnenboden wirkenden Gase drücken diese gegen den Verschluss (rot), da der Verschluss mit dem Vertikalriegel (grün) verbunden ist, überträgt sich die Kraft auf diesen. Da der Vertikalblock in das Rohr der Waffe (dunkel petrol) eingreift ist der Kräftekreislauf geschossen, es kann keine Öffnungsbewegung des Verschlusses stattfinden, die Waffe ist formschlüssig-statisch verriegelt.

Sobald das Geschoss stark genug von den Pulvergasen bescheinigt wird, entsteht eine Gegenreaktion nach dem dritten Gesetzt nach Isaac Newton. Diese Gegenreaktion überträgt sich über die Pulvergase als fluidmechanischen Körper auf den Stoßboden und damit auf den Verschluss (rot). Da dieser fest mit dem Rest der Waffe verriegelt ist, überträgt sich die Gegenreaktion auf das Waffengehäuse. es kommt zum Rückschlag.

Bild 3: Beim Rückschlag der Waffe, wird die beweglich gelagerte Kolbenplatte (lila), relativ zum Waffengehäuse gesehen, eingedrückt. Vom Schützen aus gesehen, bewegt sich das Waffengehäuse zur Kolbenplatte hin (lila). Dabei kommt eine Steuerkulisse an der Erweiterung der Kolbenplatte (lila) mit einer Steuerkulisse am Vertikalriegel (grün) in Kontakt.

Bild 4: Das zusammentreffen der Steuerkulissen von Kolbenplattenerweiterung (lila) und Vertikalriegel (grün) führt zu einem Absenken des Vertikalriegels (grün). Bei dieser Verschiebung, verlassen die Verriegelungszapfen des Vertikalriegels (grün) die Aussparungen in Verschluss (rot) und Rohr (petrol). Die Verriegelung wird aufgehoben und ändert sich zu kraftschlüssig dynamisch. Zudem ist die Strecke, welche sich das Gehäuse gegen die Kolbenplatte bewegen kann aufgebraucht.

Bild 5: Das Waffengehäuse wird gestoppt, der nun freie Verschluss jedoch kann den Rest seiner kinetischen Energie dazu verwenden sich zu öffnen und dabei die Patronenhülse aus der Patronenkammer herauszuziehen.

Quellen:

Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902

Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912

Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926

Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956

Waffen-Schmidt, Karl Böhlein & Rolf Brand, 1968

Waffenlehre für die Bundeswehr, Heinz Dathan, 1972

Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977

Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998

Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016

Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021

Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948

The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955

Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung von:

waffentechnik.wordpress.com