25. Januar 2022

Warum das CAR-15 so ein verdammter Cluster-Fuu ist ..

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post zum Thema Waffenkunde und zwar genauer gesagt zur Waffengeschichte.

Es geht um das CAR-15, wer gut genug informiert ist weiß, dass sich der Terminus CAR-15 nicht auf eine einzelne Waffe bezieht, sondern auf eine ganze Gruppe. Kurz gesagt hat die Firma Colt, kurz nach dem Erhalt der AR-15 Lizenz von ArmaLite, eine ganze Produktpalette an Waffen angeboten. Dies ist auch sinnvoll, denn so könnte ein militärischer Kunde seine ganze Armee mit sehr ähnlichen Waffen ausrüsten und so Ersatzteile und Ausbildungskosten sparen.

Nur leider war aus diesem CAR-15 Sortiment, neben der CAR-15 Rifle (beim US Militär XM16E1), nur eine Waffe wirklich erfolgreich. Und zwar die CAR-15 SMG, dabei halterte es sich jedoch nur den Abmessungen nach um eine Maschinenpistole, gekammert war die Waffe nach wie vor für 5,56x45mm M193. Intern trägt dieses Modell die Nummer 607 und wurde probeweise als als GX-5857 eingeführt. Aber auch mit diesem Modell gab es Probleme und so wurde mit dem Modell 610 eine stark verbesserte Form angeboten, welche von der Luftwaffe als XM177 erst getestet und dann als GAU-5/A offiziell eingeführt wurde.

Bis auf die merkwürdige Bezeichnung der US-Luftwaffe mit ihren Sonderzeichen, ist das auch nicht weiter ungewöhnliches. Aber jetzt kommt die Armee und besteht auf ihre Extrawurst in Form einer Schließhilfe. So entsteht das Modell 609 welches von der US-Armee als XM177E1 (Echo One) getestet wird. Da sowohl Army als auch Luftwaffe gerne das Colt XM148 Gartengerät anbringen würden, werden die Waffen nochmal überarbeitet und mit einem leicht verlängerten Lauf ausgerüstet. Das Modell 630 wird bei der Luftwaffe zum GAU-5A/A und das Modell 629 bei der Armee zum XM177E2 (Echo Two). Zu allem Überfluss entscheidet die Marketingabteilung bei Colt, die uns später noch mehr Probleme bereiten wird, die Waffen jetzt nicht mehr als SMG, sondern als Commando zu vermarkten.

Es sind diese fünf Waffen, an die man denkt, wenn man CAR-15 im Kontext des Vietnamkrieges verwendet.

Es ist kein Wunder, dass dem bei diesen sehr ähnlichen Modellen, dem ein oder anderen die Übersicht verloren geht, weswegen einige Beobachter die kurzen AR-15 Modelle alle kollektiv als CAR-15 bezeichnen. Auch wenn es sich komisch anhört, der eigentlich Cluster-Fuu kommt erst noch.

Nach dem Ende dies Vietnamkrieges wird es noch einmal unübersichtlicher, denn die US-Armee entscheidet, dass die kurzen AR-15 nicht länger von Nutzen seien und gibt diese an die US-Luftwaffe ab. Bei dieser herrscht darauf hin ein totales Chaos an verschiedenen Modellen, dessen Teile zu allem Überfluss auch noch wild untereinander gemischt werden, wenn mal eine Waffe ausfällt und für Ersatzteile ausschlachtet wird.

Als immer mehr von den, an den Waffen angebrachten, Halbschalldämpfern ausfallen, ersetzt man diese bei der US-Luftwaffe mit gewöhnlichen Mündungsfeuerdämpfern. Der darauf hin auftretende enorme Mündungsknall macht jedoch Probleme. Die Waffen werden mit verlängerten Läufen ausgerüstet, welche die Commandos wieder in etwa auf die Länge des CAR-15 Carbine (Modell 605) bringen. Die Waffen mit den längeren Läufen werden kollektiv als GAU-5/P bezeichnet.

Die Leistung dieser von der US-Luftwaffe geschaffenen Waffen wird als gut betrachtet und als SMGs und Commandos ausgehen, welche man umbauen könnte, bestellt man fertige Waffen bei Colt, welche intern als Modell 653 bezeichnet werden.

Die Marketingabteilung von Colt beschließt darauf hin, das Modell 653 eigenmächtig als M16A1 Carbine zu bezeichnen und der US-Armee anzubieten, diese lehnt jedoch ab und ein M16A1 Carbine wird niemals offiziell eingeführt. CAR-15 als Bezeichnung für diese Modelle ist zunächst nicht üblich, da man damit nach wie vor die sehr kurzen SMG- und Commando-Modelle bezeichnet.


Quasi die Wiedergeburt der Bezeichnung CAR-15 kommt erst mit der Einführung der NATO-Patrone SS-109 beziehungsweise der US-Version M855. Das schwerere Geschoss, verlieht Waffen mit kürzeren Läufen eine bessere Leistung, als noch das leichte Geschoss der M193.

Als erstes macht die US-Luftwaffe diese Entdeckung, welche ihre verbastelten GAU-5/P mit neuen Läufen ausgestattet hatte, die eine zum neuen Geschoss passende Drallsteigung aufwiesen. Die nun als GUU-5/P bezeichneten Waffen erfreuten sich bald großer Beliebtheit.

Nun kommt es zum erwähnten Cluser-Fuu, denn es passieren nun sehr viele Dinge entweder gleichzeitig miteinander oder unabhängig voneinander. Der Übersicht halber, teile ich die Ereignisse in fünf Sparten, diese Sparten haben sich ohne Zweifel gegenseitig stark beeinflusst, es ist aber nicht klar wann, wie und warum.

Sparte I - Das XM4 Programm

Das während des Vietnamkrieges entwickelte Granatgerät M203 in Kombination mit dem M16A1 war einer feuerstärksten und vielseitigsten Waffensysteme im Arsenal der US-Marines aber es hatte den Nachteil sehr schwer zu sein. Als die US-Marines das schwerere M16A2 einführten, wurden Bedenken laut, dass die neue Kombination zu schwer für den einzelnen Soldaten sein könnte. Man überlegte M203 Grantgeräte nur zusammen mit einer verkürzten Version des M16A2 auszugeben, um den einzelnen Soldaten nicht zu überlasten.

1983 wurde bei der US-Armee ein Programm mit dem Namen High Technology Motorized Division aufgelegt, dieses sollte zu einem neues schnellen Einsatzkonzept für motorisierte und mechanisierte Infanterie führen. Das Problem war jedoch, dass das M16A1 beim schnellen absitzen aus Schützenpanzern hinderlich war. Also suchte man nach einer kompakteren Waffe für diese Aufgabe.

Um keine Inkompatibilitäten oder einer unnötige Doppelentwicklung innerhalb der US-Streitkräfte zu haben. wurde beschlossen einen einheitlichen Karabiner für alle Teilstreitkräfte zu schaffen. Dieser Entschluss fällt 1984. Ein Jahr drauf im Jahr 1985 beginnt die Entwicklung des XM4. Die US-Armee wird sich jedoch aus der Entwicklung zurückziehen und so dauert es bis 1987 bis der XM4 zum M4 wird. Dieser hat jedoch noch nicht alle heute bekannten Merkmale und wird auch nicht in größeren Stückzahlen beschafft, da der US-Kongress entsprechende Gelder nicht freigibt. 

So dauert es bis 1994 also fast zehn Jahre, bis der M4 Karabiner eingeführt wird, wie wir ihn heute kennen. Grund dafür ist die zwischenzeitliche Einstellung der Beteiligung der US-Streitkräfte und der damit verbundenen Fördergelder. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Colt den M4 in  der Zwischenzeit auf eigenen Kosten weiterentwickelt hat.

Als gesichert gilt, dass das heutige M4-Laufprofil mit der Delle für die Aufnahme des M203 Grantgerätes aus diesem Programm stammt. XM4 tragen in der Regel die Modellnummer 720 weisen aber extrem unterschiedliche Eigenschaften auf. Die als M4 früh bezeichneten M4 tragen die Modellnummer 777.

Sparte II -  Die C8 Entwicklung

In etwas zur gleichen Zeit, also kurz nach der Einführung der SS-109 Nato Patrone, drückt die kanadische Armee den Wunsch aus, neben ihrem C7 Gewehr, auch eine Karabinerversion einzuführen. Bei Colt, in den USA, wird darauf mit dem Modell 725 eine Waffe entwickelt, welche dann von der kanadischen Firma Diemaco gefertigt und bei den kanadischen Streitkräften als C8 eingeführt wird. Später werden mit der C8A1 auch eine Version mit Zubehörschiene auf dem Rücken entwickelt. Unbekannt ist das Maß, in dem sich C8 und XM4 Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben.

Als gesichert gilt, das dabei kanadisches Know-How nach Colt geflossen ist, darunter auch Wissen über die Verwendung einer Adapterschiene auf dem Gehäuserücken der Waffen. Dabei handelte es sich jedoch bei C7A1 und C8A1 um Waver-Schienen und noch nicht um 1913-Rails.

Sparte III - Die Kommerziellen CAR-15

Auch Colt konnte die Einführung der SS-109 NATO-Patrone nicht ignorieren und versuchte das kommerzielle Angebot so schnell es geht, auf die neue Patrone umzustellen, um möglichste viele NATO-Länder als Kunden anzusprechen. Diese Pläne mussten jedoch verschoben werden, da Colt vor allem mit dem sehr anspruchsvollen M16A1E1-Programm der US-Marines beschäftigt war. Dieses Programm zog das komplette Konzept des AR-15 Gewehrs auf links und führte 1982 zur Einführung des M16A2.

Erst danach konnte Colt das nötige Personal einsetzen, um eigene neue Produkte zu schaffen. Eines davon war mit dem Modell 723 eine Waffe mit starken Ähnlichkeiten zu den GUU-5/P der US-Luftwaffe. Dieses Modell besaß jedoch noch das alte Visier in Form des M16A1. Eine Version mit dem neuen aufwändigeren Visier des M16A2 wurde zum Modell 727.

Besonders diese beiden Modelle erfreuten sich bei US-Spezialeinheiten aller Teilstreitkräfte großer Beliebtheit. Berühmtheit erlangten diese Waffen nach der Schlacht von Mogadischu, wo das Modell 727 von den US-Army-Rangern verwendet wurde. Dagegen bevorzugten die, ebenfalls in Mogadischu eingesetzten, Delta-Force das Modell 723, da man das A2-Visiser für eine kurze Waffe als unnötig erachtete.

Zu den Karabiner Versionen mit ihren 14,5 Inch langen Läufen wurden auch zwei entsprechende Commando Versionen mit 11,5 Inch Läufen von Colt angeboten und angenommen. Bei den Rangern war dies das Modell 735 Mit A2 und bei der Delta-Force das Modell 733 mit A1 Visier.

Um nicht mit den schwer zu merkenden Modellnummern jonglieren zu müssen, werden den Modellen meist Spitznamen gegeben. Ranger Carbine(727), Ranger Commando(735), Delta Carbine(733), Delta Commando(723), Mogadishu Carbine(727) und Mogadishu Commando(735). 

Die Marketingabteilung von Colt hingegen entschloss sich, die Waffen als M16A2 Carbine zu vermarkten und auch der US-Regierung anzubieten, diese zeigte jedoch kein Interesse. Der Grund dürfte gewesen sein, dass ja mit dem M4 eine beinahe identische Waffe vorhanden war. Das Modell 727 wurde als Government Carbine jedoch von einigen US-Behörden beschafft.

Es sind diese vier Waffen, an die man heute denkt, wenn man CAR-15 im Kontext der 90er Jahre verwendet.

Warum die Spezialeinheiten auf kommerzielle Modelle von Colt zurückgriff, könnte daran gelegen haben, dass der M4 früh (777) einen mechanisierten Feuerstoß anbot und nicht das von Spezialeinheiten bevorzugte Dauerfeuer. Ob und wie stark M4 früh und die kommerziellen CAR-15 sich gegenseitig beeinflusst haben, muss noch geklärt werden.

Offensichtlich ist jedoch, dass die Karabiner alle schon die M4 typische Delle im Lauf für das M203 Granatgerät aufweisen. Was den Waffen aber noch fehlt, ist der ovale Handschutz mit dem doppelten Hitzeschild. Gesichert ist auch, das nach der Schlacht von Mogadishu 1993 das M4 Programm plötzlich wieder aufgenommen wurde und schon 1994 die ersten größeren Stückzahlen von M4 Karabinern ausgeliefert wurden. Diese M4 der 90er tragen wieder die Modellnummer 777, weisen jedoch einige Änderungen auf. Unbewiesen bleibt jedoch, dass die Ereignisse in Somalia das M4 Programm wiederbelebt haben.

Sparte IV -  Der Colt M4 für Behörden

Dass die Marketingabteilung von Colt immer wieder Ärger macht, ist bekannt aber mit der Parallelvermarkung des M4, hat sie für einen ganz besonders vertrackten Knoten gesorgt. Es ist nicht bekannt ob Colt vor oder nach der massenhaften Einführung des M4 Carbine 1994 bei den US-Streitkräften damit begonnen hat aber die Firma vermarktete parallel ein Produkt mit dem Namen "Colt M4" an behördliche Spezialeinheiten. Dabei weichen diese kommerziellen Colt M4 teilweise stark vom "US M4 Carbine" ab. 

Ungesichert ist hier lediglich der Zeitpunkt ab dem die Vermarkung genau begann. Auch ist unklar ob der Colt M4 (Modell 927) welcher Dauerfeuer bot, einen Einfluss auf dem US M4A1 Carbine (Modell 921) hatte oder ob dies umgekehrt der Fall gewesen ist.

Sparte V - Die Colt Marketingabteilung

Wie jede kommerzielle Firma will Colt Geld verdienen. Dies ist bekanntermaßen nur dann möglich, wenn man Kunden findet und dabei hilft die Marketingabteilung. Die bei Colt bildet da keinen Unterschied und so werden die Produkte halt in der Werbung so genannt, dass sie möglichst viele kaufen. Dabei wird herzlich wenig Rücksicht auf die eigentlichen Eigenschaften der Produkte genommen oder sich gar um eine einheitliche Benennung bemüht.

Es ist einfach profitabler, wenn man eine neue Waffe nicht kryptisch als Modell 653 bewirbt, sondern als M16A1 Carbine. Damit weiß der potenzielle Kunde genau was er bekommt und es wird effektiv an ein bereits auf dem Markt etabliertes Produkt, das M16A1 Gewehr, angeknüpft. 

Das die M-Nummern eigentlich von der US-Armee vergeben werden und diese nie einen M16A1 Carbine eingeführt oder genutzt hat, ist dabei völlig egal.

Nur leider sorgt die Marketingabtelung von Colt damit bis heute für Verwirrung, weil je nach Laune oder besser je nach Möglichkeit mal Waffen mit diesen oder jenen Eigenschaften mal unter diesem oder jenem Namen beworben wurden. Aus diesem Grund, wird diese Sparte von seriösen Militärhistorikern einfach ignoriert oder beiläufig am Rande erwähnt.

Fazit:

Wir sehen also, wie verworren das Thema CAR-15 ist und man nicht einfach sagen kann, dass der M4 Karabiner aus dem CAR-15 Sortiment hervorgegangen ist. Schließlich beginnt das XM4 Programm schon 1985 und damit weit vor Zeitpunkt an dem die CAR-15 in den 90ern ihren zweiten Frühling erleben. Auch spielt das kanadische C8 eine bedeutende Rolle, die noch nicht abschließend geklärt ist. Zu allem Überfluss spuckt uns die Colt Marketingabteilung ganz kräftig in die Suppe.

Natürlich kann man alle die Fragen klären, wenn sich jemand bereit erklärt einige tausend Seiten an Dokumenten bei Colt und Diemaco zu sichten aber dass muss erstmal jemand machen und Colt wird schön vorsichtig sein, wem sie das zutrauen. Man darf nicht vergessen, der M4 Karabiner ist immer noch Colts Prestigeobjekt Nummer 1.

Nachtrag:

Leider ist es nicht möglich, einfach die Modellnummern abzuzählen um zu beweisen, dass dieses Modell vor jenem das Licht der Welt erblickte. Vom XM177 (610)  wissen wir zum Beispiel, dass es vor dem XM177E1 (609) existierte. Auch folgte die Benennung eine kurze Zeit lang einer gewissen Logik, in welcher die erste Nummer die Generation angabt und die letzten beiden Ziffern die ungefähren Eigenschaften. So ist das Commando der A2 Generation das M733 und das der A4 Generation das M933. So stand eine Weile X01 für das Gewehr, X20 für den Karabiner und X33 für die Commandos. Diese Logik hat sich jedoch nicht durchsetzen können, weswegen man sich nicht sicher an ihr orientieren kann.

zweiter Nachtrag:

Nachdem ich an einige ergänzende Informationen gelangt bin, haben sich einige ursprüngliche Fragen geklärt. So Wird der XM4 bereits 1987 zum M4 und nicht erst 1994, dieser frühe M4 unterscheidet sich jedoch deutlich von unseren heutigen M4 Karabinern und so verschiebt sich nur ein Name, die alten Fragen bleiben bestehen.

Quellen:

  • The Black Rifle, M16 Retrospective vonR. Blake Stevens & Edward C. Ezell, 1992
  • The Black Rifle II, the M16 into the 21st Century von Cristopher Bartocci, 2004
  • Waffen Revue Nr.18 Sept.-Nov. 1975 Waffensystem AR 15 (M-16), 1975
  • Small Arms Profile 22 Armalite Weapons von F.W.A. Hobart, 1973
  • Weapons Band 14, The M16 con Gordon L. Rottman, 2011
  • Weapons Band 77, The M4 Carbine von Chris MCNab, 2021

24. Januar 2022

Warum die verlängerte Magazinsperre an Valmet und Galil keine dumme Idee ist

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Beitrag. 

Ich weiß nicht warum, aber einige Kostumwaffenexperten sind immer sehr schnell damit, das eine oder auch das andere Merkmal an einer Waffe als dumm zu betiteln. Ob sie sich dadurch selber erhöhen oder nur einfach witzig sein wollen, kann ich nicht sagen.

Was ich aber sagen kann ist, dass sie sehr sehr oft mit ihren Behauptungen daneben liegen. Was daran liegt, dass sie die Waffen meist nur aus der Sicht von Endbenutzern kennen, die zudem noch das Privileg genießen die Waffen in einer sauberen und sicheren Umgebung benutzen zu können.

Aber kommen wir zum Thema und zwar zu der verlängerten Magazinsperre vom Valmet RK m/62, welche sich so auch beim IMI Galil ARM findet. Gemeint ist damit das Bauteil, welcher das Magazin nach dem Einkippen in den Magazinschacht an seinem Platz hält. Dem ein oder anderen Bundeswehrsoldat sollte ein Bauteil mit ähnlicher Funktion vom Gewehr G3 noch als Ausrücker bekannt sein.

Dieses wurde beim Valmet verlängert und dann durch ein erweitertes Blech vor versehentlichem Betätigen geschützt. Von Sportschützen und anderen Kostümexperten hört man dann oft:

"Haha, guck mal, die haben das Ding erst verlängert und dann ein Blech drum rum gemacht, damit man nicht versehentlich dran kommt .. voll unsinnig."

Und genau diese Aussage kann nur von jemandem kommen, der nicht mal das Kapitel Mechanik in einem Physikbuch für die fünfte Klasse gelesen hat. Denn spätestens dort kommt ein normal gebildeter Mensch mit dem Konzept des Hebels in Kontakt.

Die Finnen haben bei ihren Tests der AK unter arktischen Bedingungen schnell gemerkt, dass so ein Magazin schnell mal dazu neigt, im Magazinschloss fest zu frieren. Wenn man jetzt versucht, die Magazinsperre zu betätigen, ist man um jede zusätzliche Hebelwirkung dankbar. Und wie verstärkt man eine Hebelwirkung, richtig, durch eine Verlängerung des Hebelarms. Sprich in unserem Fall des Bedienteils der Magazinsperre.

Wir sehen also, eine verlängerte Magazinsperre erhöht die Kraft, mit welcher man diese bedienen kann. Eine Verlängerung ist also sinnvoll, genau so sinnvoll ist das verlängerte Schutzblech, denn dieses beeinträchtigt die Hebelwirkung nicht.


21. Januar 2022

"Rückdrucklader" der geheime Freimaurergruß der Waffenexperten?

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Beitrag.

Angestoßen wurde das Thema von einer Kollegin, welche mich auf eine interessante Frage bracht und zwar:

Hat die Frage nach dem Rückdrucklader unter Waffenexperten die gleiche Funktion, wie der geheime Gruß unter den Freimaurern?

Ich fand die Idee einfach zu interessant und so haben wir dann auch eine ganze Weile lang diskutiert. Für Leute, welche sich nicht eingehend mit der Freimaurerei auskennen, hier ein kleiner Abriss, warum deren geheimer Gruß damals so wichtig war.

Dabei geht es eher um die Freimaurerei im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert und nicht um die Bruderschaften in den Dombauhütten des Hochmittelalters. Letzteren ging es vor allem darum, durch gezieltes Abfragen von Fachwissen, zu verhindern, dass keine unbefugten Zutritt zu den Bauhütten bekamen, in denen damals wertvolles technisches Wissen vermittelt wurde.

Die spekulative Freimaurerei, also die rein spirituelle, um 1900 hatten ein ganz anderen Problem. Die Freimaurerei war derart populär geworden, dass die alt eingesessenen Logen nicht alle Interessierten aufnehmen konnten. Um das Bedürfnisse befriedigen zu können, brachte der "Markt" in Anführungszeichen, immer neue Logen hervor, meist gegründet von nicht voll ausgebildeten Freimaurer oder gleich von Laien, welche das schnelle Geld durch Mitgliedsbeiträge witterten.

Diese neuen Logen konnten natürlich nicht die gleiche Qualität an Ausbildung gewehrleisten, wie die alten Logen. Dies führte im Endeffekt dazu, dass auf den Straßen viele Menschen unterwegs waren, welche sich zwar für Freimaurer hielten, jedoch nicht über das gleiche Wissen verfügten wie Lehrlinge, Gesellen oder Meister der ursprünglichen in Anführungszeichen "echten" Logen.

Traf man also als Mitglied einer alt ehrwürdigen Loge zum Beispiel in einem Kaffee auf einen Gentleman, welche sich durch subtile Gesten ebenfalls als Freimaurer entpuppte, stieß man schnell auf ein Problem. Man konnte zu dieser Zeit nämlich nie wirklich sagen, ob das Gegenüber jetzt zu einer ebenfalls alt ehrwürdigen Loge gehörte oder nicht. Der Unterschied besteht darin, dass man von einem echten Freimaurer durchaus lernen könnte. Besonders, wenn dieser einen höheren Rang als man selber hätte.

Auf der anderen Seite jedoch bestand die Möglichkeit, dass es sich beim Gegenüber um ein Mitglied einer der neuen Logen handeln könnte. Von einem Solchen könnte man nichts lernen und würde erstens Gefahr laufen falschen Wissen aufzunehmen oder eigenes Wissen einer kommerziellen Loge zu offenbaren.

Aus diesem Grund, wurden neben dem allbekannten Händedruck mit dem langen Finger, weitere Erkennungszeichen auf einer zweiten Ebene eingeführt. Auch, und jetzt wird es für uns interessant, sprachen sich einige Fehler der neune Logen in den Reihen der alten Logen schnell herum. So konnte ein Mitglied einer altehrwürdigen Logen durch ein zwei Simple Fragen zu speziellen Ansichten oder Ritualen sehr schnell herausfinden, ob es sich bei einem anderen Freimaurer um einen echten oder um einen Freimaurer der Mode wegen handelte.


Genau diese Methode ist auch unter den Waffenexperten unsere Tage zu finden. Möchte man wissen, ob sich eine Lady oder ein Gentleman tiefer mit der Materie der Waffentechnik auskennt, fragt man einfach:

Was ist ein Rückdrucklader?

Kommt hier eine Antwort wie: "Das ist eine Waffe, welche durch den nach hinten gerichteten Gasdruck im Lauf ihre automatische Funktion antreibt." oder "Das ist ein Begriff aus der amerikanisierten Waffensprache.", so kann man sicher sein, dass die- oder derjenige sich tatsächlich mit dem Thema auskennt.

Kommt jedoch ein flapsiges "Rückdrucklader gibt es nicht!", so kann man sich heutzutage genau so sicher sein, dass man vom Gegenüber nichts lernen kann, wie ein Freimaurer im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert von einem Mitglied einer kommerziellen Freimaurerloge.

Es gibt übrigens auch ein entsprechendes Äquivalent der Waffengeschichte, dessen Frage lautet:

Für welche Patrone, wurde die AK-47 entwickelt?

Die richtige Antwort darauf lautet 7,62x41 mm, denn die Patrone M43 von 1943 hatte noch eine 41 mm lange Hülse, diese wird erst 1948 um 2 mm auf das heute bekannte 7,62x39 mm gekürzt.


So, damit soll es das aber auch für heute gewesen sein. Ich weiß, dass es vor allem in der Waffengeschichte noch zig andere ähnlicher Fragen gibt aber die liste ich ein anders Mal auf.

Quellen:

  • Die Freimaurer von Helmut Reinalter, 2000
  • Die Geheimbünde: Eine kulturgeschichtliche Analyse von Marco Frenschkowski, 2010

19. Januar 2022

Der Unterschied zwischen AR-15, M16 und Colt Model 604

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Beitrag. Heute sehen wir uns mal an, was den jetzt genau der Unterschied ist zwischen dem bekannten AR-15, dem ebenfalls bekannten US M16 und dem Colt Model 604 welches weniger bekannt sein dürfte.

Um den Unterschied zu erfassen sehen wir uns erstmal kurz die Geschichte der Waffe an. Ihr geistiger Geburtsort ist die Firma ArmaLite. Diese entwickelt Waffen und zwar nicht eine sondern gleich mehrere. Um die Waffen innerhalb der Firma auseinanderhalten zu können, hat man dort eine interne Zählung. Wäre ja auch doof, wenn die Mitarbeiter untereinander nicht wüssten, von welcher Waffe gerade die Rede ist.

Die ArmaLite Zählung ist denkbar einfach, jede Waffe fängt mit AR an und bekommt dann eine Nummer. Die Waffen werden also einfach abgezählt von 1 bis eben 15. Die AR-15 ist einfach die fünfzehnte Waffe der Firma ArmaLite. Genau genommen ist es eher das fünfzehnte angefangene Projekt, denn Waffen brauchen intern schon einen Namen, wenn es losgeht mit der Planung. Leider ist nicht aus jeder AR etwas geworden, einige Projekten entpuppten sich als Sackgassen.

Nun haben wir aber unser AR-15 Projekt, welches zu real existierenden Waffen führte. Jedoch hatte die kleine Firma ArmaLite nicht die nötigen Einrichtungen, um diese Waffe in Massen zu fertigen. Einer der Verantwortlichen bestand zwar auf der Errichtung einer entsprechenden Produktionsstätte aber konnte sich damit nicht durchsetzen.

Also vergab man eine Lizenz zur Fertigung des AR-15 an die Firma Colt. Colt nahm einige Änderungen an der Waffe vor, bevor diese in Serienproduktion ging. Jetzt hat Colt aber eine eigene Zählung seiner Waffen, die Colt Modell Zählung. Diese ist auch recht einfach und zwar heißen die Waffen immer Modell, dann eine 6 und dann eine fortlaufende Nummer. Das von Colt für die Massenproduktion optimierte AR-15 heiß bei Colt Model 601. Meist wurde auch die 6 einfach weggelassen und nur Model 01 geschrieben.

Wir haben es jetzt also mit zwei Zählungen zu tun, das kommt daher, dass Colt ja nicht einfach für eine andere Firma weiterzählen kann und die geänderte AR-15 zur AR-16 erklären könnte. Das hätte auch ein ziemliches Durcheinander gegeben, denn ArmaLite war nach dem AR-15 nicht untätig und hat noch AR-16, AR-17 und die bekannte AR-18 entwickelt.

Die Waffen von Colt liefen also unter der Bezeichnung AR-15 Model 01, meist auch einfach kurz AR-15 01.

Nun interessierte sich jedoch die US-Luftwaffe für das AR-15 01 und wollte dieses einführen. Und nun kommt die dritte Zählung ins Spiel und zwar die US M-Zählung der US Ordonanzgewehre. Früher hat man da einfach ein M mit nachfolgender Jahreszahl bevorzugt, wie beim M1903 Springfield Gewehr. Das wurde dann aber irgendwann aufgegeben und ab dem M1 Garand Gewehr wird einfach gezählt, auch wenn nach dem M1, das M14 Gewehr kam. Nach dem M14 gab es einige Versuche mit einem M15, welche aber nicht zu einem neuen Gewehr führten. Demzufolge bekam das AR-15 04, null vier weil die Luftwaffe einige Sachen an der Waffe geändert haben wollte, die nächste freie Nummer und wurde als M16 eingeführt. 

Dem entsprechend ist auf dem Gehäuse eines M16 zu lesen:

Colt AR-15, M16

Die Colt interne Nummer 604 lies man auf den an die US-Luftwaffe gelieferten Waffen einfach weg. Auch auf den folgenden Waffen wie XM16E1, M16A1, XM177, XM177E1 und vielen der CAR-15 Familie zugerechneten Waffen, wird man noch AR-15 lesen können.

Erst in den 80er Jahren und dem M16A2 und dem damit verbundenen Änderung der Rechtslage bezüglich des geistigen Eigentums der Firma ArmaLite wird die Aufschrift AR-15 vom Gehäuse der Waffen verschwinden.


Fazit: Wir haben es hier einfach mit drei Zählungen von zwei Firmen und einer Armee zu tun. Das ist nichts ungewöhnliches, wenn man sich mit Waffen und deren Geschichte auseinandersetzt.


Quellen:

  • The Black Rifle, M16 Retrospective von R. Blake Stevens & Edward C. Ezell erschienen bei Collector Grade Publications
  • The Black Rifle II, the M16 into the 21st Century von Cristopher Bartocci erschienen bei Collector Grade Publications
  • Small Arms Profile 22 Armalite Weapons von F.W.A. Hobart erschienen bei Profile Publications Ltd.
  • Waffen Revue Nr.18 Sept.-Nov. 1975 Waffensystem AR 15 (M-16) von Karl R. Pawlas erschienen bei Publizistisches Archiv für Militär und Waffenwesen

12. Januar 2022

Ist der Rückstoß einer Feuerwaffe stärker als der Rückdruck?

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post. Da ihr immer so viel Spaß daran habt, wenn ich mich mal wieder zu einer der typischen Dummheiten der üblichen Verdächtigen äußere, mache ich das heute einfach mal wieder.

Es geht um folgende Aussage:

"Das Rückstoß einer Feuerwaffe ist stärker als der Druck der Pulvergase auf den Patroneninnenboden."

 Naja, wo fängt man da an? Naja am besten mal bei den Gesetzen der Thermodynamik. Denn schon der erste Hauptsatz dieser lautet:

Energie kann nicht erzeugt und nicht vernichtet, sondern lediglich umgewandelt werden.

Aber warum ist gerade dieser Satz der Sargnagel der obigen Behauptung? Um diese Frage zu beantworten, sehen wir uns einfach mal die Energien in einer herkömmlichen Feuerwaffe an. Neben einer für den Rückstoß irrelevanten in der Abzugsgruppe gespeicherten Spannenergie, haben wir nur eine einzige Quelle und zwar die chemische Energie in Zünd- und Treibmittel.

Verbrennen wir unser Treibmittel, so setzt es sich in Gas um. Dieses Gas nimmt allerdings mehr Raum in Anspruch und ist deswegen in der Lage, Arbeit zu verrichten. Eine dieser Arbeiten ist das Beschleunigen des Geschosses. Erst die Gegenreaktion dieser Beschleunigung ist das, was man bei einer Feuerwaffe als Geschossrückstoß kennt.

Wir halten also Fest, unsere Energie kommt aus dem Gas, wird in eine Bewegung umgewandelt und erst die Gegenreaktion dieser Bewegung ist der angeblich so starke Rückstoß. Wir erhalten demnach am Ende eines Energiekreislaufes eine größere Energie als Resultat, als wir ursprünglich in das System hinein gegeben haben.

Sprich, eine Feuerwaffe wäre demnach ein Perpetuum Mobile.

Würde die oben genannte Theorie stimme, müsste man jetzt nur noch ein paar Kraftwerke bauen, welche die kinetische Rückstoßenergie zum Antrieb einer Turbine nutzt und unsere Energieprobleme wären gelöst. Zwar müsste man einen Teil der gewonnenen Energie wieder in die Erzeugung von Gasdruck reinvestieren aber die Differenz könnte man als freie Energie für alles mögliche Nutzen.


Aber natürlich ist das oben Beschriebene kompletter Unsinn. Der Rückstoß ist eine, im Vergleich zum Gasdruck, enorm schwache Kraft. Das hängt vor allem damit zusammen, wie absolut ineffektiv Feuerwaffen arbeiten. Zum ersten sind die Pulvergase nicht intelligent und pressen (beaufschlagen) einfach auf alle Oberflächen, mit denen sie in Kontakt kommen. Dann müssen sie bei Waffen mit gezogenen Läufen auch noch einen enormen Reibungswiderstand überwinden. 

Wer sich genauer für das Thema interessiert, dem sei folgende Literatur empfohlen:

  • Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr von C. Cranz, 1926
  • Vom Pulverhorn zum Raketengeschoß von Manfred R. Rosenberg & Katrin Hanne, 1993
Der Fehler kommt wahrscheinlich daher, dass da jemand mal wieder lokale Kräfte wie den Gasdruck im System, nicht mit globalen Kräften wie dem Rückstoß unterscheiden kann.