5. Januar 2023

Aufgabe zur Benennung von Kräften in einer Feuerwaffe, Rückstoß erkennen lernen

Hallo alle zusammen, heute habe ich mal eine kleine Aufgabe für euch, damit ihr lernt, die verschiedenen Kräfte in einer modernen Feuerwaffe richtig benennen zu können.


In dieser Grafik seht ihr fünf Systeme, von Figur 1 bis Figur 5. Zu den jeweiligen Figur gibt es zusätzlich immer eine Zeitangabe, bezeichnet mit englisch time. Dabei hat die erste Figur die Besonderheit, dass sie an vier unterschiedlichen Zeitpunkten dargestellt wird. Die Figuren 2 bis 5 hingegen werden nur in jeweils einem Zeitpunkt dargestellt.

Die Aufgabe ist nun zu ergründen, warum sich Fig.1 time 1 und Fig.2 time 1 sowie Fig.1 time 2 und Fig.3 time 1 in der jeweils ersten und zweiten Reihe noch ähneln aber schon Fig.1 time 3 und Fig.4 time 1 bereits unterscheiden.

In der dritten Reihe haben sich bei Fig.1 time 3 Lauf (dunkel petrol) und Verschluss (rot) gemeinsam nach hinten bewegt, wohingegen diese Bewegung bei Fig.4 time 1 nicht zu beobachten ist. Dabei wirkt bei beiden Grafiken, der selbe Gasdruck (Pfeile mit weißen Spitzen) auf den Stoßboden des Verschlusses (rot) als auch auf das den Lauf (dunkel Petrol) zu diesem Zeitpunkt abschließende Element (orange).

Legende:
  • Hellgrau: Gehäuse, lagert die Verschluss-Lauf-Koppelgruppe gefedert
  • Dunkelrot: Verschluss, schließt den Lauf nach hinten ab
  • Grün: Sperrriegel, verbindet den Verschluss mit dem Lauf und stellt einen Formschluss her
  • Dunkelgrau: Unverbranntes Treibmittel
  • Hellrot: Gasdruck, wirkt auf alle angrenzenden Flächen gleich ihrer Oberfläche
  • Dunkelpetrol: Lauf, ist über den Sperrriegel mit dem Verschluss verbunden
  • Orange: Geschoss/Pfropfen verschließt den Lauf temporär bei Fig.1 und dauerhaft bei Fig. 2 - 5
  • Pink: Sperrt die Pfropfen bei Fig. 2 - 5 mit dem Lauf und stellt so einen Formschluss her
Lösung:
Der Unterschied liegt in der Bewegung des Geschosses. Bei Fig. 1 bewegt sich das Geschoss zwischen den Zeitpunkten time 3 und time 4. Nur durch diese Geschossbewegung kann eine Gegenreaktion entstehen, welche in der Lage ist, die Verschluss-Lauf-Koppelgruppe nach hinten zu bewegen.

Bei den Figuren Fig. 2 bis Fig. 5 findet eine Bewegung der Pfropfen (orange) nicht statt, da dieser durch die Sperren (pink) mit dem Lauf (petrol) verbunden sind. Die Pulvergase wirken zwar auf den Stoßboden des Verschlusses (rot) aber auch auf den Pfropfen (orange), beide Kräfte heben sich gegenseitig auf und es kann keine Bewegung der Koppelgruppe, weder nach hinten noch nach vorne stattfinden. Der Kräftekreislauf ist geschlossen.

Experiment:
Setzte sich in einer Boller- oder Einkaufswagen, so dass dein Rücken mit der hinteren Wand oder dem hinteren Gitter abschließt und platziere danach deine Hände, oder solltest du noch sehr klein oder der Wagen sehr groß sein, deine Fußsohlen an der gegenüberliegenden Wand oder dem gegenüberliegenden Gittes des Einkaufswagens. Drücke nun mit Kraft deine Ellenbogen oder Knie durch und übe auf diese Weise Kraft auf den Einkaufswagen aus*.

Beobachte nun, ob eine Bewegung des Wagens stattfindet, wenn nicht, erkläre warum.

Widerhole das Experiment, aber nimm dieses mal einen schweren Gegenstand mit in den Wagen, wie einen Sack Kartoffeln*². Benutzte nun nach Möglichkeit die gleiche Kraft, mit welcher du beim ersten Experiment gegen die vordere Wand gedrückt hast, und werfe den schweren Gegenstand von dir weg.

Beobachte nun, ob sich der Wagen in Bewegung setzt, erkläre warum.

*Bitte sei vor allem bei Bollerwagen vorsichtig, da hier deine Kraft eventuell die Materialfestigkeit des Holzes überschreiten, und der Bollerwagen beschädigt werden könnte. 

*²Wichtig ist nur, dass der Gegenstand keinen Schaden nimmt und keinen Schaden anrichtet, denn er wird eventuell auf den Boden fallen. Bei leichten Gegenständen kannst du einen Freund oder deine Eltern fragen, ob sie den Gegenstand für dich auffangen.

Lösung Experiment:
Sitzt du im Wagen und übst mit deinen Armen oder beinen Kraft auf die vordere Wand oder das vordere Gitter auf. Überträgt sich diese Kraft auf den Boden des Wagen, von der auf die hintere Wand oder das hintere Gitter, von diesem auf deinen Rücken und von deinem Rücken in deinen Arm und von deinem Arm wieder auf die vordere Wand oder Gitter. Der Kräftekreislauf ist geschlossen - es kann keine Bewegung des Wagens stattfinden. 

Wirfst du jedoch aus dem Wagen einen schweren Gegenstand von dir, kannst du eine Bewegung des Wagens feststellen. Eventuell hast du schon gemerkt, dass das werfen eines schwereren Gegenstandes oder ein kraftvollerer Wurf, den Wagen weiter und schneller bewegen. Der Grund für diese Bewegung ist der Rückstoß. Wirfst du einen Sack Kartoffeln von dir, erzeugt du eine Bewegung und da jede Bewegung eine Gegenreaktion erzeugt, wirfst du nicht nur die Kartoffeln, die Kartoffeln werfen auch dich und da du dich gegen den Wagen gelehnt hast, überträgt sich diese Gegenkraft auf den Wagen und da dieser, durch seine Rollen, gegen den Boden beweglich gelagert ist, bewegt sich der Wagen nach hinten.

Häufig gestellte Fragen:
Eventuell hast du bei dem Experiment festgestellt, dass du den Wagen auch durch schnellen Vor- und Zurückwippen mit dem Oberkörper bewegen kannst, auch hier kommt der Rückstoß zum tragen, in dem Fall bist du der bewegte Sack Kartoffeln.

1. Januar 2023

Der "Führen"-Trigger, wie man prüft ob Jemand wirklich Ahnung vom Waffengesetz hat

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu mal wieder so einem Beitrag. Ich bin nämlich mal wieder über einen Trigger gestolpert, dieses mal völlig unabsichtlich aber eines nach dem Anderen. 

Für alle die nicht wissen, was den Trigger ist und gegen eine mögliche Verwechslung mit dem angelsächsischen Wort für Abzug, hier eine kurze Erklärung: Ein Trigger ist im Sprachgebrauch des Internets meist eine Frage, um ein gewisses Verhalten beim Gegenüber zu provozieren. Was meist nur als eher sinnbefreiter Spaß im Internet dient, hat in der Internet-Waffenkunde durchaus seine Berechtigung. Der Grund dafür liegt in der anwachsenden Masse von Kostumwaffen-Experten. Meist kann man mit einfachen Fragen, den sogenannten Triggern, schnell rausfinden, ob es sich um einen echten Experten handelt oder um Jemanden, der zumindest gründlich arbeitet.

Der neuste Trigger stammt mal nicht aus meinen Fachgebieten Waffengesichte oder Waffentechnik, sondern aus dem deutschen Waffenrecht. Es geht um das Führen von Waffen, also wann führt man eine Waffe?

Die meisten Leute, welche versuchen diese Frage zu beantworten, machen einen großen Fehler und zwar suchen sie nach der Definition von führen nicht im Waffengesetzt, sondern im allgemeinen Sprachgebraucht, im Sinn vom Führen eines Fahrzeuges, mit einem Führerschein oder dem mitführen eines Personalausweises oder sie führen gedanklich einen Hund spazieren. 

Das Worte in deutschen Gesetzten aber teilweise erheblich von ihrer umgangssprachlichen Bedeutung abweichen, dürfte die meisten wissen. Nicht umsonst ist Beamtendeutsch ein fester Begriff in der deutschen Sprache.

Dieser Fehler führt nun dazu, dass oft behautet wird, dass man zum Führen einer Waffe einen Waffenschein benötigt und dass man eine Waffe nur transportieren dürfe, wenn man lediglich eine Waffenbesitzkarte hat.

Ein Blick in das Waffengesetzt, fördert jedoch folgende Definition von Führen zu Tage:

Waffenrechtliche Begriffe
Im Sinne dieses Gesetzes, 
führt eine Waffe, wer die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte ausübt,
aus Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4) Begriffsbestimmungen, Abschnitt 2 Punkt 4

Würde also bedeuten, dass man die Waffe immer führt, wenn man sie nach Draußen in die Öffentlichkeit trägt, egal ob jetzt offen, verdeckt oder super doll eingeschnürzt in ein dickes fettes Paket. Aber warum darf man dann als Sportschütze seine Waffe ohne Waffenschein zum Schießstand bringen? Die Antwort gibt es an einer anderen Stelle im Waffengesetz:

Einer Erlaubnis zum Führen von Waffen bedarf nicht, wer diese nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Ort befördert, sofern der Transport der Waffe zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt; 
aus § 12 Ausnahmen von den Erlaubnispflichten (3) Punk 2

Ah hier steht also, dass das Führen erlaubnisfrei wird, wenn man die Waffe verschlossen und nicht schussbreit Transportiert. Aber da steht ja transportiert. Ist also führen jetzt auch Transport?

Da ich mich mit dem Thema Waffenrecht nicht so gut auskenne, mache ich einfach das, was ich selber Leuten immer empfehle, die dich mit Waffentechnik nicht auskennen aber trotzdem darüber berichten wollen und zwar das Standardwerk zum Thema lesen oder zumindest ein einfaches Einführungswerk.

Das Einführungswerk wäre in unserem Fall: Einführung in des Waffengesetz Grundwissen für Jäger, Sportschützen, Sammler, Bootsführer und das Bewachungsgewerbe von Andreé Busche aus dem Jahre 2020 und da lesen wir auf Seite 51:

Schon der Transport einer Waffe von der eigenen Wohnung zum Schießstand ist Führen im Sinne des Waffengesetzes.

Sieht so aus, als wäre Transport auch Führen oder? Aber das ist ja nur die Einführung ins Waffengesetz, was steht denn nun im Standardwerk sprich in: Handbuch zum Waffengesetz 2021/2022 erschienen bei Juristischer Fachverlag Busche von 2022? Da lesen wir auf Seite 111:

Zu beachten ist das erlaubnisfreie Führen nach § 12 Abs. 3 WaffG, auch "Transport" genannt. Es ist erlaubnisfrei, aber Führen im Sinne des WaffG.

Ok, dass ist nun mehr als Eindeutig. Der korrekte Begriff ist also führen, nur muss man zwischen erlaubnispflichtigem führen und erlaubnisfreiem führen unterscheiden. Das Wort Transport, im Buch nicht ohne Grund in Anführungszeichen, ist ein unjuristisches Synonym für letzteres.

So jetzt wisst ihr wie ihr mit Fragen wie:

Was brauch ich, um eine Waffen führen zu dürfen?

oder 

Was ist der Unterschied zwischen Führen und Transport? 

 ganz einfach rausfinden könnt, ob jemand wirklich Ahnung vom Waffengesetz hat oder nicht.#

-Nachtrag-

Auf der Internetpräsents von Andre Busché findet sich übrigens ein praktisches Merkblatt mit dem Titel: 

Übersicht Transport von Waffen und Munition Stand 09/2020

Dem zu entnehmen ist der Satz:

Der Transport einer Waffe ist Führen im Sinne des Waffengesetzes

Wer hatte als erstes seinen Namen für "Sturmgewehr"?

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einer neuen Frage.

Welches das erste Sturmgewehr war, habe ich ja bereits geklärt aber von wann ist eigentlich der Name Sturmgewehr, nun von 1944 dem Zeitpunkt, als aus der MP44 der Propaganda zu liebe, das STg.44 wurde. Aber von wann sind die Namen dieser Waffe aus den anderen Sprachen sprich das russische Avtomat und das englische Assault Rifle?

Die englische amerikanische Assault Rifle ist leicht zu verorten und zwar im Jahre 1916, der Hochzeit der Grabenkämpfe des ersten Weltkrieges. Wie sicher jeder weiß, hat so eine Grabenkrieg verschiedene Phasen, eine dieser Phase wurde im angelsächsischen als die Assault Phase genannt. Es handelt sich dabei um exakt die Phase, zu welcher der eigene Artilleriebeschuss des gegnerischen Gaben bereits eingestellt wurde, um es den eigenen Truppen zu ermöglichen, sich dem gegnerischen Gaben auf die letzten Meter zu nähern, ohne von der eigenen Artillerie getroffen zu werden. Da der Gegner nun nicht mehr von der Artillerie niedergehalten wird, muss sich die vorrückende Infanterie selbstständig um die Niederhaltung der gegnerischen Stellung bemühen. Dafür besaßen die damals üblichen Infanteriegewehre jedoch nicht die nötige Feuerkraft und so wurde eine neue Waffe für genau diese Assault Phase gefordert sprich eine Assault Phase Rifle. Der Gedanke der US-Amerikaner drehte sich also um ein schwereres Gewehr und nicht um ein leichteres Maschinengewehr, wie bei den Deutschen. Das erste handfeste Ergebnis war die Lewis Assault Phase Rifle ein automatisches Gewehr, welches wegen seiner Patrone in Form der amerikanischen .30-03 heute nicht als Sturmgewehr durchgehen wird und welches es nicht zur Truppe schaffen wird. Trotzdem wird man bei der damals entstandenen Namensgebung der Assault Rifle bleiben. Übrigens hat es 1918 dann doch ein ähnliche Waffe zur Truppe geschafft, die BAR 1918, allerdings als Walking Rifle.

Das russische Wort Автомат in lateinischen Buchstaben Avtomat bedeutet schlicht nichts anders als einfach Automat, jedoch in der Verwendung als Feuerwaffenkategorie tritt es erstmals 1921 auf  und zwar als Kategorie für den Avtomat Federov. Wer sich jetzt gut auskennt könnte einwenden, dass dieses schnellfeuerfähige Gewehr für die japanische 6,5x50mm Patrone von 1916 stammt. Das ist richtig aber bei seinem ersten Auftreten zur zeit des russischen Zarenreiches nennt er sich noch Ружье-Пулемет (Ruzhje-Pulemjet) was merkwürdigerweise soviel bedeutet wie Flinten-Maschinengewehr, obwohl es sich bei der besagten Waffe ganz klar um eine gezogene Waffe also eine Винтовка (Vintovka) eine Büchse* handelt. Erst die Bolschewiki beheben diesen Fehler in ihren Dokumenten und so taucht die Waffe von Federov 1921 als AF (Avtomat Federova) in den Dokumenten auf. Oder der zuständige Schreiberling wusste so gar nicht mit der recht ungewöhnlichen Waffe anzufangen und verwendet deswegen einfach das generischste Wort, das noch irgendwie zutreffend war. Wie dem auch gewesen sein mag, das Wort Avtomat war gekommen, um zu bleiben. Der nächste bekanntere Avtomat findet sich in den 30er Jahren, als nachdem russischen Bürgerkrieg etwas Ruhe eingekehrt war, haben einige avantgardistische Waffenkonstruktoren den frischen Wind der frühen sowjetischen Wissenschaftsgläubigkeit dazu genutzt, sehr viel zu experimentieren. Eines dieser Experimente war der Avtomat Korovin von 1933, oft einfach AK-33, aus damaliger Sicht eine überdimensionierte Maschinenpistole für die Patrone 9x35mm (.351 Winchester SL), aus heutiger Sicht ein wichtiger Vertreter der Proto-Sturmgewehre.  Der Begriff Avtomat schlug jedoch auch beim  AVS-36 durch, der Автомат-Винтовка (Avtomat Vintovka) also der Automat-Büchse. Ob das jetzt eine eigenen Kategorie ist oder eine kombinierte Kategorie muss jeder selber entscheiden.

Fazit:

Wir stellen also fest:

Assault Rifle stammt von 1916

Avtomat von 1921

und Sturmgewehr von 1944 

Quellen:

  • The World's Assault Rifles von Gary Paul Johnston & Thomas B. Nelson erschienen bei Ironside International Publishers inc., 2010
  • Assault Rifle, The Development of the Moddern Military Rifle and its Ammunition von Maxim Popenker & Anthony G. Williams erschienen bei The Crowood Press, 2004
  • Kalaschnikow, Das Genie und sein Lebenswerk von Edward Clinton Ezell erschienen bei dwj Verlags GmbH, 2011
  • Visier Spezial Nr.25 Kalaschnikow Der Konstrukteur und seine Waffe Vom AK 47 zum PK von Sascha Numßen, Dr. David Th. Schiller erschienen bei Vogt-Schild Deutschland GmbH, 2002
  • DWJ Extra 10 Maschinenwaffen II, Die technische Revolution von Dr. Elmar Heinz erschienen bei dwj Verlags GmbH, 2008