3. November 2021

Warum kann man 9x19 mm Patronen aus einer 9x18 mm PM Makarov abfeuern?

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem kleinen adHoc Post,

ich wurde gefragt, warum es scheinbar möglich ist 9x19 mm Parabellum Patronen aus der russischen Selbstladepistole PM Makarov, eingerichtet für 9x18 mm, abzufeuern und das ganz ohne, dass diese einen Schaden davon zu tragen scheint.

Achtung: Das Abfeuern einer 9x19mm Patrone aus einer 9x18 mm Waffe ist nach dem deutschen Waffengesetz nicht erlaubt und führt zum Verlust der Zuverlässigkeit. Nicht nachmachen.

Dass einem das Ganze auf den ersten Blick ein wenig spanisch vorkommt, liegt an drei weit verbreiteten Irrtümern. Der erste ist die Verwechslung von Nennkaliber und Realkaliber, ich hatte dazu zwar schon vor Jahren mal was gemacht aber hier nochmal, damit alle Informationen kompakt zusammen daliegen.

9x19 mm und 9x18 mm sind keine realen Maße, sondern reine Namen. Nennkaliber orientieren sich zwar an den Realmaßen, sind aber meist stark abgerundet. So handelt es sich bei der 9x19 mm Parabellum eigentlich um eine 9,02x19,15 soweit also nur eine kleine Abrundung auf den vollen Millimeter. Bei der 9x18 mm Makarov jedoch um eine 9,25x18 mm. Und genau da liegt der erste Hund begraben, denn die Patronen der Makarov sind 0,23mm dicker, was sich natürlich auch in den Laufprofilen der dazugehörigen Waffen widerspiegelt.

Eine in eine Marakov eingelegte 9x19 mm hat also im Lauf um eigens mehr Spiel. Jetzt werden die meisten vermuten, dass dies nichts mit der Funktion der Waffe zu tun hat, denn der Rückstoß bleibt schließlich der Gleiche. Und da hätten wir den zweiten Hund, denn die Makarov PM ist gar kein Rückstoßlader, sondern ein direkter Gasdrucklader*. Wenn das Geschoss nach dem Auszug aus der Patronenhülse in den Übergangskegel eintritt, drückt der Gasdruck nicht nur das Geschoss durch den Lauf, sondern auch die Patronenhülse nach hinten.

Bei einem 9x18 mm Geschoss in einer 9x18 mm Waffe dichtet das Geschoss den Lauf nach vorne hin ab, so dass genau die Menge an Gas hinten über die Hülse auf den Verschluss drückt, die ausreicht um, den Repetiervorgang zu betätigen, aber nicht so stark ist, dass sich der Verschluss so schnell öffnet. Letzteres würde die Patronenhülse beschädigen.

Letzteres würde mit Sicherheit geschehen, wenn man eine 9x19 mm Patrone in eine PM Makarov einlegen würde, dessen Geschoss mit 9,25 mm ebenfalls wie die Originalpatrone den Lauf relativ dicht halten würde. Die Verschlussmasse würde nicht ausreichen, um mit ihrer Trägheit den Verschluss an der Überschreitung der Sicherheitsstrecke zu hindert. Die Hülse würde zu schnell zu weit ausgezogen werden und im schlimmsten Fall reißen, worauf gefährliche Pulvergase nach hinten ausströmen könnten. Zudem könnte der Verschluss durch eine zu hohe Rücklaufgeschwindigkeit beim rückwärtigen Anschlag beschädigt werden.

Nun haben wir aber gelernt, dass ein 9x19 mm Geschoss im Lauf einer 9x18 mm Waffe nun mal nicht abdichtet. Da jetzt das Geschoss vorne nicht mehr dicht hält und einfach Teile des Gases entwichen lässt, steht, entsprechen der Gesetzte der Strömungsmechanik wie auch denen der Gasdynamik, hinten weniger Druck zur Verfügung, welcher über die Patronenhülse auf den Verschluss drückt. Der Verschluss wird also, trotz einer größeren Gasmenge aus der längeren 9x19 mm Hülse nicht zu stark angetrieben. Das Abfeuern einiger 9x19 mm Patronen aus einer PM Marakov ist also möglich, ohne dass es zu Hülsenreißern kommt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Geschosse nicht richtig geführt werden und deswegen eine sehr geringe Präzision aufweisen, auch ist ihre Mündungsgeschwindigkeit geringer, da das am Geschoss vorbei entweichende Gas auch für den Antrieb des Geschosses selber nicht mehr genutzt werden kann.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum man nicht einfach auch 9x19 mm Waffen baut, welche diese Methode der Gasentlastung benutzen, damit man sie mit günstigen einfachem Masseverschlüssen mit feststehendem Lauf bauen kann. Und da liegt unser dritter Hund, denn das hat man bereits vor einiger zeit getan in der Form der Hecker & Koch VP70. Hier wird die Gasentlastung erreicht, in dem man einfach die Züge sehr viel breitet und vor allem tiefer gestaltet hat als für 9x19 mm Geschosse üblich gewesen wäre. Diese tiefen Züge lassen Gas entwichen, aber die normal hohen Felder sind nach wie vor in der Lage, das Geschoss zu führen. Die Mündungsgeschwindigkeit von 9x19mm Geschossen aus der VP70 ist zwar niedriger als die von Waffen mit ähnlicher Lauflänge, aber die Präzision bleibt erhalten.

*Zu dem Thema bitte einen Blick werfen in:

- Die principiellen Eigenschaften der Feuerwaffen, Karel Krnka 1902 s.29

- Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz 1912 s.88

- Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs 1956 s.302

- Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen 1977  s.243

- Verschlusssysteme von Feuerwaffen Peter Dannecker, 2016 s.36

- Grundladen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke 2020 s.147


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