25. Januar 2022

Warum das CAR-15 so ein verdammter Cluster-Fuu ist ..

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post zum Thema Waffenkunde und zwar genauer gesagt zur Waffengeschichte.

Es geht um das CAR-15, wer gut genug informiert ist weiß, dass sich der Terminus CAR-15 nicht auf eine einzelne Waffe bezieht, sondern auf eine ganze Gruppe. Kurz gesagt hat die Firma Colt, kurz nach dem Erhalt der AR-15 Lizenz von ArmaLite, eine ganze Produktpalette an Waffen angeboten. Dies ist auch sinnvoll, denn so könnte ein militärischer Kunde seine ganze Armee mit sehr ähnlichen Waffen ausrüsten und so Ersatzteile und Ausbildungskosten sparen.

Nur leider war aus diesem CAR-15 Sortiment, neben der CAR-15 Rifle (beim US Militär XM16E1), nur eine Waffe wirklich erfolgreich. Und zwar die CAR-15 SMG, dabei halterte es sich jedoch nur den Abmessungen nach um eine Maschinenpistole, gekammert war die Waffe nach wie vor für 5,56x45mm M193. Intern trägt dieses Modell die Nummer 607 und wurde probeweise als als GX-5857 eingeführt. Aber auch mit diesem Modell gab es Probleme und so wurde mit dem Modell 610 eine stark verbesserte Form angeboten, welche von der Luftwaffe als XM177 erst getestet und dann als GAU-5/A offiziell eingeführt wurde.

Bis auf die merkwürdige Bezeichnung der US-Luftwaffe mit ihren Sonderzeichen, ist das auch nicht weiter ungewöhnliches. Aber jetzt kommt die Armee und besteht auf ihre Extrawurst in Form einer Schließhilfe. So entsteht das Modell 609 welches von der US-Armee als XM177E1 (Echo One) getestet wird. Da sowohl Army als auch Luftwaffe gerne das Colt XM148 Gartengerät anbringen würden, werden die Waffen nochmal überarbeitet und mit einem leicht verlängerten Lauf ausgerüstet. Das Modell 630 wird bei der Luftwaffe zum GAU-5A/A und das Modell 629 bei der Armee zum XM177E2 (Echo Two). Zu allem Überfluss entscheidet die Marketingabteilung bei Colt, die uns später noch mehr Probleme bereiten wird, die Waffen jetzt nicht mehr als SMG, sondern als Commando zu vermarkten.

Es sind diese fünf Waffen, an die man denkt, wenn man CAR-15 im Kontext des Vietnamkrieges verwendet.

Es ist kein Wunder, dass dem bei diesen sehr ähnlichen Modellen, dem ein oder anderen die Übersicht verloren geht, weswegen einige Beobachter die kurzen AR-15 Modelle alle kollektiv als CAR-15 bezeichnen. Auch wenn es sich komisch anhört, der eigentlich Cluster-Fuu kommt erst noch.

Nach dem Ende dies Vietnamkrieges wird es noch einmal unübersichtlicher, denn die US-Armee entscheidet, dass die kurzen AR-15 nicht länger von Nutzen seien und gibt diese an die US-Luftwaffe ab. Bei dieser herrscht darauf hin ein totales Chaos an verschiedenen Modellen, dessen Teile zu allem Überfluss auch noch wild untereinander gemischt werden, wenn mal eine Waffe ausfällt und für Ersatzteile ausschlachtet wird.

Als immer mehr von den, an den Waffen angebrachten, Halbschalldämpfern ausfallen, ersetzt man diese bei der US-Luftwaffe mit gewöhnlichen Mündungsfeuerdämpfern. Der darauf hin auftretende enorme Mündungsknall macht jedoch Probleme. Die Waffen werden mit verlängerten Läufen ausgerüstet, welche die Commandos wieder in etwa auf die Länge des CAR-15 Carbine (Modell 605) bringen. Die Waffen mit den längeren Läufen werden kollektiv als GAU-5/P bezeichnet.

Die Leistung dieser von der US-Luftwaffe geschaffenen Waffen wird als gut betrachtet und als SMGs und Commandos ausgehen, welche man umbauen könnte, bestellt man fertige Waffen bei Colt, welche intern als Modell 653 bezeichnet werden.

Die Marketingabteilung von Colt beschließt darauf hin, das Modell 653 eigenmächtig als M16A1 Carbine zu bezeichnen und der US-Armee anzubieten, diese lehnt jedoch ab und ein M16A1 Carbine wird niemals offiziell eingeführt. CAR-15 als Bezeichnung für diese Modelle ist zunächst nicht üblich, da man damit nach wie vor die sehr kurzen SMG- und Commando-Modelle bezeichnet.


Quasi die Wiedergeburt der Bezeichnung CAR-15 kommt erst mit der Einführung der NATO-Patrone SS-109 beziehungsweise der US-Version M855. Das schwerere Geschoss, verlieht Waffen mit kürzeren Läufen eine bessere Leistung, als noch das leichte Geschoss der M193.

Als erstes macht die US-Luftwaffe diese Entdeckung, welche ihre verbastelten GAU-5/P mit neuen Läufen ausgestattet hatte, die eine zum neuen Geschoss passende Drallsteigung aufwiesen. Die nun als GUU-5/P bezeichneten Waffen erfreuten sich bald großer Beliebtheit.

Nun kommt es zum erwähnten Cluser-Fuu, denn es passieren nun sehr viele Dinge entweder gleichzeitig miteinander oder unabhängig voneinander. Der Übersicht halber, teile ich die Ereignisse in fünf Sparten, diese Sparten haben sich ohne Zweifel gegenseitig stark beeinflusst, es ist aber nicht klar wann, wie und warum.

Sparte I - Das XM4 Programm

Das während des Vietnamkrieges entwickelte Granatgerät M203 in Kombination mit dem M16A1 war einer feuerstärksten und vielseitigsten Waffensysteme im Arsenal der US-Marines aber es hatte den Nachteil sehr schwer zu sein. Als die US-Marines das schwerere M16A2 einführten, wurden Bedenken laut, dass die neue Kombination zu schwer für den einzelnen Soldaten sein könnte. Man überlegte M203 Grantgeräte nur zusammen mit einer verkürzten Version des M16A2 auszugeben, um den einzelnen Soldaten nicht zu überlasten.

1983 wurde bei der US-Armee ein Programm mit dem Namen High Technology Motorized Division aufgelegt, dieses sollte zu einem neues schnellen Einsatzkonzept für motorisierte und mechanisierte Infanterie führen. Das Problem war jedoch, dass das M16A1 beim schnellen absitzen aus Schützenpanzern hinderlich war. Also suchte man nach einer kompakteren Waffe für diese Aufgabe.

Um keine Inkompatibilitäten oder einer unnötige Doppelentwicklung innerhalb der US-Streitkräfte zu haben. wurde beschlossen einen einheitlichen Karabiner für alle Teilstreitkräfte zu schaffen. Dieser Entschluss fällt 1984. Ein Jahr drauf im Jahr 1985 beginnt die Entwicklung des XM4. Die US-Armee wird sich jedoch aus der Entwicklung zurückziehen und so dauert es bis 1987 bis der XM4 zum M4 wird. Dieser hat jedoch noch nicht alle heute bekannten Merkmale und wird auch nicht in größeren Stückzahlen beschafft, da der US-Kongress entsprechende Gelder nicht freigibt. 

So dauert es bis 1994 also fast zehn Jahre, bis der M4 Karabiner eingeführt wird, wie wir ihn heute kennen. Grund dafür ist die zwischenzeitliche Einstellung der Beteiligung der US-Streitkräfte und der damit verbundenen Fördergelder. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Colt den M4 in  der Zwischenzeit auf eigenen Kosten weiterentwickelt hat.

Als gesichert gilt, dass das heutige M4-Laufprofil mit der Delle für die Aufnahme des M203 Grantgerätes aus diesem Programm stammt. XM4 tragen in der Regel die Modellnummer 720 weisen aber extrem unterschiedliche Eigenschaften auf. Die als M4 früh bezeichneten M4 tragen die Modellnummer 777.

Sparte II -  Die C8 Entwicklung

In etwas zur gleichen Zeit, also kurz nach der Einführung der SS-109 Nato Patrone, drückt die kanadische Armee den Wunsch aus, neben ihrem C7 Gewehr, auch eine Karabinerversion einzuführen. Bei Colt, in den USA, wird darauf mit dem Modell 725 eine Waffe entwickelt, welche dann von der kanadischen Firma Diemaco gefertigt und bei den kanadischen Streitkräften als C8 eingeführt wird. Später werden mit der C8A1 auch eine Version mit Zubehörschiene auf dem Rücken entwickelt. Unbekannt ist das Maß, in dem sich C8 und XM4 Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben.

Als gesichert gilt, das dabei kanadisches Know-How nach Colt geflossen ist, darunter auch Wissen über die Verwendung einer Adapterschiene auf dem Gehäuserücken der Waffen. Dabei handelte es sich jedoch bei C7A1 und C8A1 um Waver-Schienen und noch nicht um 1913-Rails.

Sparte III - Die Kommerziellen CAR-15

Auch Colt konnte die Einführung der SS-109 NATO-Patrone nicht ignorieren und versuchte das kommerzielle Angebot so schnell es geht, auf die neue Patrone umzustellen, um möglichste viele NATO-Länder als Kunden anzusprechen. Diese Pläne mussten jedoch verschoben werden, da Colt vor allem mit dem sehr anspruchsvollen M16A1E1-Programm der US-Marines beschäftigt war. Dieses Programm zog das komplette Konzept des AR-15 Gewehrs auf links und führte 1982 zur Einführung des M16A2.

Erst danach konnte Colt das nötige Personal einsetzen, um eigene neue Produkte zu schaffen. Eines davon war mit dem Modell 723 eine Waffe mit starken Ähnlichkeiten zu den GUU-5/P der US-Luftwaffe. Dieses Modell besaß jedoch noch das alte Visier in Form des M16A1. Eine Version mit dem neuen aufwändigeren Visier des M16A2 wurde zum Modell 727.

Besonders diese beiden Modelle erfreuten sich bei US-Spezialeinheiten aller Teilstreitkräfte großer Beliebtheit. Berühmtheit erlangten diese Waffen nach der Schlacht von Mogadischu, wo das Modell 727 von den US-Army-Rangern verwendet wurde. Dagegen bevorzugten die, ebenfalls in Mogadischu eingesetzten, Delta-Force das Modell 723, da man das A2-Visiser für eine kurze Waffe als unnötig erachtete.

Zu den Karabiner Versionen mit ihren 14,5 Inch langen Läufen wurden auch zwei entsprechende Commando Versionen mit 11,5 Inch Läufen von Colt angeboten und angenommen. Bei den Rangern war dies das Modell 735 Mit A2 und bei der Delta-Force das Modell 733 mit A1 Visier.

Um nicht mit den schwer zu merkenden Modellnummern jonglieren zu müssen, werden den Modellen meist Spitznamen gegeben. Ranger Carbine(727), Ranger Commando(735), Delta Carbine(733), Delta Commando(723), Mogadishu Carbine(727) und Mogadishu Commando(735). 

Die Marketingabteilung von Colt hingegen entschloss sich, die Waffen als M16A2 Carbine zu vermarkten und auch der US-Regierung anzubieten, diese zeigte jedoch kein Interesse. Der Grund dürfte gewesen sein, dass ja mit dem M4 eine beinahe identische Waffe vorhanden war. Das Modell 727 wurde als Government Carbine jedoch von einigen US-Behörden beschafft.

Es sind diese vier Waffen, an die man heute denkt, wenn man CAR-15 im Kontext der 90er Jahre verwendet.

Warum die Spezialeinheiten auf kommerzielle Modelle von Colt zurückgriff, könnte daran gelegen haben, dass der M4 früh (777) einen mechanisierten Feuerstoß anbot und nicht das von Spezialeinheiten bevorzugte Dauerfeuer. Ob und wie stark M4 früh und die kommerziellen CAR-15 sich gegenseitig beeinflusst haben, muss noch geklärt werden.

Offensichtlich ist jedoch, dass die Karabiner alle schon die M4 typische Delle im Lauf für das M203 Granatgerät aufweisen. Was den Waffen aber noch fehlt, ist der ovale Handschutz mit dem doppelten Hitzeschild. Gesichert ist auch, das nach der Schlacht von Mogadishu 1993 das M4 Programm plötzlich wieder aufgenommen wurde und schon 1994 die ersten größeren Stückzahlen von M4 Karabinern ausgeliefert wurden. Diese M4 der 90er tragen wieder die Modellnummer 777, weisen jedoch einige Änderungen auf. Unbewiesen bleibt jedoch, dass die Ereignisse in Somalia das M4 Programm wiederbelebt haben.

Sparte IV -  Der Colt M4 für Behörden

Dass die Marketingabteilung von Colt immer wieder Ärger macht, ist bekannt aber mit der Parallelvermarkung des M4, hat sie für einen ganz besonders vertrackten Knoten gesorgt. Es ist nicht bekannt ob Colt vor oder nach der massenhaften Einführung des M4 Carbine 1994 bei den US-Streitkräften damit begonnen hat aber die Firma vermarktete parallel ein Produkt mit dem Namen "Colt M4" an behördliche Spezialeinheiten. Dabei weichen diese kommerziellen Colt M4 teilweise stark vom "US M4 Carbine" ab. 

Ungesichert ist hier lediglich der Zeitpunkt ab dem die Vermarkung genau begann. Auch ist unklar ob der Colt M4 (Modell 927) welcher Dauerfeuer bot, einen Einfluss auf dem US M4A1 Carbine (Modell 921) hatte oder ob dies umgekehrt der Fall gewesen ist.

Sparte V - Die Colt Marketingabteilung

Wie jede kommerzielle Firma will Colt Geld verdienen. Dies ist bekanntermaßen nur dann möglich, wenn man Kunden findet und dabei hilft die Marketingabteilung. Die bei Colt bildet da keinen Unterschied und so werden die Produkte halt in der Werbung so genannt, dass sie möglichst viele kaufen. Dabei wird herzlich wenig Rücksicht auf die eigentlichen Eigenschaften der Produkte genommen oder sich gar um eine einheitliche Benennung bemüht.

Es ist einfach profitabler, wenn man eine neue Waffe nicht kryptisch als Modell 653 bewirbt, sondern als M16A1 Carbine. Damit weiß der potenzielle Kunde genau was er bekommt und es wird effektiv an ein bereits auf dem Markt etabliertes Produkt, das M16A1 Gewehr, angeknüpft. 

Das die M-Nummern eigentlich von der US-Armee vergeben werden und diese nie einen M16A1 Carbine eingeführt oder genutzt hat, ist dabei völlig egal.

Nur leider sorgt die Marketingabtelung von Colt damit bis heute für Verwirrung, weil je nach Laune oder besser je nach Möglichkeit mal Waffen mit diesen oder jenen Eigenschaften mal unter diesem oder jenem Namen beworben wurden. Aus diesem Grund, wird diese Sparte von seriösen Militärhistorikern einfach ignoriert oder beiläufig am Rande erwähnt.

Fazit:

Wir sehen also, wie verworren das Thema CAR-15 ist und man nicht einfach sagen kann, dass der M4 Karabiner aus dem CAR-15 Sortiment hervorgegangen ist. Schließlich beginnt das XM4 Programm schon 1985 und damit weit vor Zeitpunkt an dem die CAR-15 in den 90ern ihren zweiten Frühling erleben. Auch spielt das kanadische C8 eine bedeutende Rolle, die noch nicht abschließend geklärt ist. Zu allem Überfluss spuckt uns die Colt Marketingabteilung ganz kräftig in die Suppe.

Natürlich kann man alle die Fragen klären, wenn sich jemand bereit erklärt einige tausend Seiten an Dokumenten bei Colt und Diemaco zu sichten aber dass muss erstmal jemand machen und Colt wird schön vorsichtig sein, wem sie das zutrauen. Man darf nicht vergessen, der M4 Karabiner ist immer noch Colts Prestigeobjekt Nummer 1.

Nachtrag:

Leider ist es nicht möglich, einfach die Modellnummern abzuzählen um zu beweisen, dass dieses Modell vor jenem das Licht der Welt erblickte. Vom XM177 (610)  wissen wir zum Beispiel, dass es vor dem XM177E1 (609) existierte. Auch folgte die Benennung eine kurze Zeit lang einer gewissen Logik, in welcher die erste Nummer die Generation angabt und die letzten beiden Ziffern die ungefähren Eigenschaften. So ist das Commando der A2 Generation das M733 und das der A4 Generation das M933. So stand eine Weile X01 für das Gewehr, X20 für den Karabiner und X33 für die Commandos. Diese Logik hat sich jedoch nicht durchsetzen können, weswegen man sich nicht sicher an ihr orientieren kann.

zweiter Nachtrag:

Nachdem ich an einige ergänzende Informationen gelangt bin, haben sich einige ursprüngliche Fragen geklärt. So Wird der XM4 bereits 1987 zum M4 und nicht erst 1994, dieser frühe M4 unterscheidet sich jedoch deutlich von unseren heutigen M4 Karabinern und so verschiebt sich nur ein Name, die alten Fragen bleiben bestehen.

Quellen:

  • The Black Rifle, M16 Retrospective vonR. Blake Stevens & Edward C. Ezell, 1992
  • The Black Rifle II, the M16 into the 21st Century von Cristopher Bartocci, 2004
  • Waffen Revue Nr.18 Sept.-Nov. 1975 Waffensystem AR 15 (M-16), 1975
  • Small Arms Profile 22 Armalite Weapons von F.W.A. Hobart, 1973
  • Weapons Band 14, The M16 con Gordon L. Rottman, 2011
  • Weapons Band 77, The M4 Carbine von Chris MCNab, 2021

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