16. Oktober 2022

Waffenfunktion: Rückstoßlader mit kurz zurückgeleitendem Lauf & Gasstaudüse, Rollenverschluss

Funktionsbeschreibung eines Feuerwaffenverschlusssystems. Angetrieben durch den Geschossrückstoß mit Wirkung auf Verschluss-Lauf-Koppelgruppe sowie indirekt wirkenden Gasdruck in Gasstaudüse. Verriegelt durch tiefliegende Rollen. Verwendet im deutschen Maschinengewehr MG42 und im MG3.

Kinematik: Rückstoßlader mit Gasstaudüse

Bild 1: Die Waffe ist geladen und feuerbereit, befindet sich jedoch in Ruheposition.

Bild 2: Der Schuss bricht die Pulverladung in der Patrone setzt sich in Pulvergase um, da diese ein weitaus größeres Volumen beanspruchen als die Pulverladung in Festform kommt es zu einer gewaltigen Druckentwicklung. Der Druck im inneren der Patrone wirkt zu allen Seiten hin, findet aber im Geschossboden die Fläche mit dem geringsten Widerstand. Das Resultat des auf den Geschossboden wirkenden Druckst ist, dass das Geschoss vom Gasdruck aus dem Patronenhund in den Lauf geschoben wird. Sobald das Geschoss aus dem Mund der Hülse heraus geschoben wurde, stellt die Patrone kein geschlossenes System mehr dar und der Gasdruck ist in der Lage, die Hülse, ähnlich einem Hohlkolben, gegen den Verschlusskopf (rot) zu pressen. In diesem Verschlusskopf sitzen jedoch zwei Rollen (grün), welche in entsprechenden Rollentaschen im Schildzapfen sitzen, welche wiederum Teil des Laufes (dunkel petrol) sind. Die Kraft der Pulvergase überträgt sich also vom Lauf (dunkel petrol) auf den Verschlusskopf (rot), vom diesem auf die Rollen (grün) und von diesen wieder auf den Lauf (dunkel petrol). Der Kräftekreislauf ist geschlossen und es kann keine Bewegung stattfinden, Verschluss und Lauf sind mit einander formschlüssig statisch verriegelt. Man spricht auch von Verschluss-Lauf-Koppelgruppe.

Vorne hat das Geschoss den Einpresswiderstand in den gezogenen Teil des Laufes überwunden und wird schnell genug beschleunigt, dass eine bedeutende Gegenreaktion, zur nach vorne gerichteten Geschossbewegung, erzeugt wird. Diese Gegenreaktion, nach dem dritten newtonschen Gesetzt, ist nach hinten gerichtet und nutzt dabei die Pulvergase als fluidmechanischen Körper. Im Gegensatz zum nur lokal wirksamen direkten Gasdruck ist die Gegenreaktion dazu in der Lage die Verschluss-Lauf-Koppelgruppe relativ zum Waffengehäuse nach hinten zu werfen. Jedoch ist sie zu schwach die schwere Koppelgruppe weit genug nach hinten zu werfen.

Bild 3: Sobald das Geschoss den Lauf der Waffe verlässt, tritt es in die gehäusefeste Staudüse (grau) ein, das Geschoss passiert diese Gasexpansionskammer. Die dem Geschoss folgenden Pulvergase strömen in die Staudüse und füllen diese direkt aus und beaufschlagen alle Innenwände der Düse. In der leicht überkalibrigen Öffnung der Düse wirkt das Geschoss für einen kurzen Moment als eine Art Stopfen. Da der Lauf (dunkel petrol) der Waffe die hintere Wand der Staudüse bildet, wird auch dieser vom Gas beaufschlagt und es wirkt eine entsprechende Kraft auf die Laufkrone. Dieser indirekt wirkende Gaskraft schiebt den Lauf, wie den Kolben eines herkömmlichen Gasdruckladers, nach hinten. Dies ist nur möglich, da die Staudüse teil des Waffengehäuses und nicht fest mit dem Lauf verbunden ist.

Die selbe Bewegung, welchen der Rückstoß mit seiner Wirkung auf den Verschlusskopf (rot) bereits begonnen hat, wird so vom Gasdruck in der Staudüse mit seiner Wirkung auf den Lauf (dunkel petrol) noch verstärkt. Der vorher vom Verschlusskopf (rot) nach hinten gezogene Lauf (dunkel petrol), wirkt nun zusätzlich als Kolben, welcher den Verschlusskopf (rot) zusätzlich nach hinten anschiebt.

Beim Rücklauf der Verschluss-Lauf-Koppelgruppe kommen die Rollen (grün) in Kontakt mit einer gehäusefesten Steuerkulisse (blau). Diese zwingt die Rollen (grün) zu einer Aufwärtsbewegung, dabei verlassen die Rollen ihre Rollentaschen im Schildzapfen des Laufes (dunkel petrol).

Bild 4: Sobald die Rollen (grün) in den Verschlusskopf (rot) zurück gezwungen wurden, ist der Verschluss entriegelt und die Verschluss-Lauf-Koppelgruppe wird gelöst. Gleichzeitig werden bei Rücklauf des Laufes Gasentlüftungsbohrungen in der Gasstaudüse frei, welches das gestaute Gas entwichen lassen. Dies ist nötig, damit es beim Nächsten Schuss nicht zu einer Überfunktion aufgrund von Restgasdruck des vorherigen Schusses kommt.

Bild 5: Entkoppelt voneinander läuft der Lauf (dunkel Petrol), unter dem Druck einer eigenen Rückhohlfeder, wieder in seine Ausgangsposition zurück. Der Verschlusskopf (rot) fährt jedoch weiter zurück, dabei zieht er die leere Patronenhülse per Auszieherkralle aus dem Patronenlager heraus. Möglich macht das seine kinetische Restenergie, welche er durch den doppelten Antrieb erhalten hat.

Das System arbeitet also mit zwei Antriebsmethoden, einmal mit dem Rückstoß und einmal mit indirekt wirkendem Gasdruck auf den Lauf. 

Quellen:

Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902

Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912

Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926

Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956

Waffenlehre für die Bundeswehr, Heinz Dathan, 1972

Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977

Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998

Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016

Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021

Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948

The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955

Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung von:

waffentechnik.wordpress.com

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