10. Oktober 2022

Waffenfunktion: Rückstoßlader mit kurz zurückgeleitendem Lauf, Kniegelnekverschluss

Funktionsbeschreibung eines Feuerwaffenverschlusssystems. Angetrieben durch den Geschossrückstoß mit Wirkung auf Verschluss-Lauf-Koppelgruppe sowie direkt wirkenden Gasdruck. Verriegelt durch Kniehebel. Verwendet bei der deutschen Selbstladepistole Luger P-08.

Kinematik: Rückstoßlader mit Kniegelenkverschluss

Bild 1: Die Waffe ist geladen und befindet sich in Ruheposition.

Bild 2: Der Schuss bricht, die Treibladung in der Patronenhülse wird in Treibgase umgesetzt. Diese Gase beanspruchen ein vielfaches von dem Raum, welchen die Treibladung in festem Zustand eingenommen hat. Dieder gewaltig gestiegene Platzbedarf resultiert in einem starken Druck innerhalb der Brennkammer der Patrone, welcher alle Innenwände der Patrone beaufschlagt. Die schwächste Stelle der Patrone ist das Geschoss, welches sich von den Pulvergasen aus dem Hünd der Hülse in den Lauf der Waffe treiben lässt. Sobald das Geschoss den Mund der Hülse verlässt ist das Gas zudem in der Lage, die Patronenhülse wie einen Hohlkolben nach hinten zu drücken. Da die Patrone jedoch vom Verschluss (rot) abgestützt wird, überträgt sich sich die Kraft auf diesen. Der Verschluss ist mit dem Kniehebel (grün) verbunden, dieser ruht mit deinem Mittelgelenk auf dem Steuerstück (blau). Da der Kniehebel (grün) bereits nach unten eingeknickt ist, versucht er diese Beugerichtung beizubehalten und sich nach unten zu öffnen. Daran hindert ihn jedoch das gehäusefeste Steuerstück (blau). Eine Öffnungsbewegung des Verschlusses (rot) kann deswegen nicht stattfinden, der Verschluss ist formschlüssig statisch verriegelt.

Auf der anderen Seite hat das Geschoss den Einpresswiderstand in die Felder des Laufes überwunden und wird anschließend von den, auf den Geschossboden wirkenden, Pulvergasen stark beschleunigt. Gemäß des dritten Gesetzes nach Newton kommt es bei der schnellen Geschossbewegung zu einer Gegenreaktion, diese nutzt die Pulvergassäule im Lauf als Fluidmechanischen Körper und überträgt so die Gegenreaktion auf den Stoßboden des Verschlusses (rot). Genau wie bei der direkten Gaswirkung, kann auch diese Kraft den Verschluss nicht öffnen. Jedoch wirkt die Gegenreaktion nicht wie der direkte Gasdruck lokal begrenzt, sondern wirkt in einem weiteren Bezugssystem, dieses resultiert darin, dass der Verschluss (rot) relativ zum Gehäuse (grau) nach hinten geworfen wird. Da der Verschluss (rot) über den Kniehebel (grün) mit dem Lauf (dunkel Petrol) verbunden ist, wird dieser nach hinten mitgezogen.

Bild 3: Das mit dem Gehäuse verbundene Steuerstück (blau) verbleibt jedoch an seinem Platz und sorgt damit dafür, dass das mittlere Gelenk des Kniehebels (grün) langsam nach oben bewegt wird. Dabei wird, gegen die Kraft des direkt wirkenden Gasdrucks, die Vorbeugung nach unten aufgehoben und anschließend das Gelenk (dunkel grün) nach oben eingeknickt.

Bild 4: Sobald der Kniehebel (grün) einmal eine kleine Beugung nach oben hin gemacht hat, versucht der direkt wirkende Gasdruck das Gelenk (dunkel grün) in diese Richtung weiter zu öffnen, was dem Gasdruck im Lauf auch gelingt. Durch die Änderung der Vorbeugerichtung, wurde die Verbindung zwischen Verschluss (rot) und Lauf (dunkel petrol) von einem formschlüssig statischen zu einer kraftschlüssig dynamischen.

Bild 5: Der direkt auf den Hülseninnenboden wirkende Gasdruck ist nun in der Lage, die Patronenhülse wie einen Hohlkolben gegen der Verschluss (rot) zu schieben, welcher dieses mal der Kraft nachgibt und sich nach hinten zu öffnen beginnt. Dabei wird der Kniehebel (grün) weiter eingeknickt, hat dabei aber keine verriegelungsrelevante Funktion mehr inne. Der Verschluss (rot) kann also erst nach dem gemeinsamen Rücklauf, zusammen mit dem Lauf, (dunkel Petrol) vom Gasdruck im Lauf geöffnet werden. Während dieser Zeit, konnte der Gasdruck soweit absinken, dass dieser die Hülse beim austreiben aus dem Patronenlager (dunkel petrol) nicht mehr beschädigt. Grund für das absinken des Drucks in so kurzer Zeit ist, dass dem Druck um so mehr Raum im Lauf zur Verfügung steht, umso weiter das Geschoss durch den Lauf getrieben wurde.

Das System arbeitet demnach mit zwei Antriebsmethoden, für die Entriegelung ist der Geschossrückstoß zuständig, während für das ausschieben der Hülse und die Öffnung des Verschlusses der direkt wirkende Eigengasdruck verantwortlich ist.

Quellen:

Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902

Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912

Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926

Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956

Waffenlehre für die Bundeswehr, Heinz Dathan, 1972

Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977

Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998

Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016

Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021

Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948

The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955

Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung von:

waffentechnik.wordpress.com

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