Funktionsbeschreibung eines Feuerwaffenverschlusssystems. Angetrieben durch den Geschossrückstoß mit Wirkung auf Verschluss-Lauf-Koppelgruppe sowie direkt wirkenden Gasdruck. Verriegelt durch tiefliegende Rollen.
Kinematik: Rückstoßlader mit Rollenverschluss |
Bild 1: Die Waffe ist geladen und befindet sich im Ruhezustand.
Bild 2: Der Schuss bricht, das sich in der Patronenhülse befindliche Scheißpulver wandelt sich durch Abbrand in Pulvergase um. Diese Pulvergase benötigen um ein vielfachen mehr Raum als das Schießpulver im feststofflichen Zustand. Durch den höheren Raumbedarf, kommt es zu einem enormen Druck in der Brennkammer der Patrone. Dieser Druck wirkt zu allen Seiten hin macht sich aber ab deutlichen dadurch bemerkbar, dass er auf das Heck des Geschosses wirkt und dadurch selbiges aus dem Mund der Patronenhülse heraus, in den Lauf (dunkel petrol) der Waffe, drückt. Sobald das Geschoss den Mund der Hülse verlassen hat und diese kein geschlossenes System mehr darstellt, ist der Gasdruck in der Lage selbige Hülse, wie einen Hohlkolben, nach hinten zu drücken. Da die Hülse jedoch vom Verschlusskopf (rot) abgestützt wird, überträgt sich die Kraft auf diesen. Im Verschlusskopf (rot) befinden sich zwei Rollen (grün), welche in Rollentaschen lagern im Schildzapfen, dieser sind mit dem Lauf (dunkel Petrol) verbunden. Im Gegensatz zu anderen Rollenverschlüssen lagern hier die Rollen (grün) so tief in ihren Lagern, dass sie nicht aus diesen herausrollen können, wenn sie vom Verschlusskopf (rot) nach hinten getrieben werden. Die Rollen (grün) machen so ein Zurückfahren des Verschlusskopfes (rot) unmöglich. Der direkt wirkende Gasdruck kann nichts ausrichten, die Waffe ist formschlüssig statisch verriegelt.
Erst wenn das Geschoss im Lauf der Waffe, nach der Überwindung des Einpresswiderstandes, auf eine ausreichende Geschwindigkeit gebracht wird, kann es nach dem dritten Gesetzt nach Newton zu einer Gegenreaktion kommen. Diese Gegenreaktion überträgt sich über die Pulvergase, als fluidmechanischen Körper, auf den Stoßboden des Verschlusses (rot). Im Gegensatz zum Eigengasdruck, welcher nur im lokal begrenzten Bezugssystem Arbeit verrichten kann, ist der Gegenimpuls in der Lage die Lauf-Verschluss-Koppelgruppe relativ zum Waffengehäuse (grau) nach hinten zu werfen.
Bild 3: Beim gemeinsamen Rücklauf von Lauf (dunkel petrol) und Verschluss (rot) kommen die Rollen (grün), welche die Koppelgruppe zusammenhalten, in Kontakt mit zwei Steuerklassen (blau). Diese schiefen Ebenen zwingen die Rollen (grün) dazu, sich in den Verschlussträger (rot) zurückzuziehen. Gleichzeitig zwingen dies den Verschlussträger (lila) relativ zum Verschluss zurück. Dieser Vorgang hat hier jedoch eher sicherheitstechnische Gründe, um den Zündstift bei nicht verriegeltem Verschluss von der Patrone fernzuhalten. Es handelt sich zwar um eine Übersetzung, jedoch ist diese nicht verriegelungsrelevant.
Bild 4: Umso weiter die Lauf-Verschluss-Koppelgruppe zurück fährt, umso weiter werden die Rollen (grün) von den Steuerkulissen (blau) in den Verschlussträger (rot) gezwungen. Sobald die Rollen (grün) bis über die Hälfte in den Verschlussträger (rot) eingefahren sind, ist die Verriegelung praktisch aufgehoben. Der Verschluss wechselt von einer formschlüssig statischen in eine kraftschlüssig dynamische Verriegelung.
Bild 5: Der Gasdruck wäre am diesem Zeitpunkt in der Lage, die Patronenhülse wie einen Hohlkolben nach hinten zu schieben. Dies ist bei diesem System jedoch nicht nötig, da der zuvor per Übersetzung beschleunigte Verschlussträger (lila) noch genug kinetische Restbewegungsenergie hat, um den Verschlussträger nach hinten mitzuschleppen.
Je nach Bedarf und gewünschter Funktionssicherheit, kann dieses System also als reiner Rückstoßlader mit Entriegelung per Rückstoß und Verschlussantrieb per kinetischen Restenergie des beschleunigten Verschlussträger konzipiert werden oder als System mit zwei Antriebsmethoden welches den Rückstoß zur Entriegelung verwendet und den Eigengasdruck im Lauf für den Verschlussantrieb.
Quellen:
Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902
Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912
Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926
Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956
Waffenlehre für die Bundeswehr, Heinz Dathan, 1972
Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977
Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998
Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016
Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021
Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948
The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955
Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970
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