2. November 2022

Waffenfunktion: Rückstoßlader mit kurz zurückgeleitendem Lauf, Gasüberlastungsverschluss

Funktionsbeschreibung eines Feuerwaffenverschlusssystems. Angetrieben durch den Geschossrückstoß mit Wirkung auf Verschluss-Lauf-Koppelgruppe. Quasi verriegelt per Gasüberlastungskolben. Reines Gedankenexperiment, deswegen in keiner real existierenden Waffen verwendet.

Kinematik: Rückstoßlader Mit Gasüberlastung

Bild 1: Die Waffe ist geladen und befindet sich in Ruheposition.

Bild 2: Der Schuss bricht, das in der Brennkammer der Patronenhülse befindliche Treibmittel wird per Abbrand in Treibgase umgesetzt. Diese Treibgase benötigen ein vielfaches mehr an Raum als das Treibmittel in festen Zustand. Aus diesem Grund kommet es zu einer starken Beaufschlagung aller anliegender Flächen durch den Gasdruck der Pulvergase. Den geringsten Widerstand bietet das in den Hülsenmund eingedrückte Geschoss welches folglich vom Gasdruck aus der Patronenheraus getrieben wird. Sobald das Geschoss die Patronenhülse verlässt und die Patrone kein geschlossenes System mehr darstellt, ist der Gasdruck in der Lage auch die Patronenhülse nach hinten zu treiben. Da diese vom Verschluss (rot) abgestützt wird, wird auch der Verschluss nach hinten geschoben, da er lediglich seine Masseträgheit überwunden werden muss. Der Verschluss ist kraftschlüssig dynamisch verriegelt.

Bild 3: Das Geschoss passiert die Gasentnahmebohrung im Lauf welche zum Belastungszylinder führt. Die unter hohem Druck stehenden Pulvergase nutzen diese Gelegenheit zur Expansion und füllen den Belastungszylinder. Dort beaufschlagen sie die Rückfläche des Gasbelastungszylinders (lila) und treiben diesen nach vorne. Da der Gasbelastungskolben (lila) mit dem Verschluss (rot) verbunden ist, überträgt sich diese Bewegung auf diesen. Nun wirken zwei Kolben gegen einander. Der Arbeitskolben mit dem Zylinder Rohr und dem Kolben Patronenhülse und der Belastungskolben mit dem Belastungszylinder als Zylinder und dem Belastungskolben (lila) als Kolben. Da der Belastungskolben (lila) dem Gasdruck eine größere Fläche zur Beaufschlagung bietet, gewinnt der Belastungskolben und führt zu einer langsamen Schließbewegung des Verschlusses (rot). Das System ist nun kraftschlüssig statisch verriegelt.

Der Verschluss (rot) könnte durch reine Krafteinwirkung geöffnet werden, öffnet sich jedoch nicht, da die Krafteinwirkung des Gasdrucks auf die Patronenhülse als Hohlkolben schwächer ist, als die Krafteinwirkung auf den Belastungszylinder, der Belastungszylinder verursacht eine Gasüberlastung. Das System ist durch Gasüberlastung verriegelt.

Bild 4: Das Geschoss wird durch die Pulvergase stark genug beschleunigt, dass es zu einer bedeutenden Gegenreaktion kommt, welche sich, über das Pulvergase als fluidmechanischen Körper, auf den Verschluss (rot) der Waffen überträgt. Dadurch wird der Verschluss im größeren Bezugssystem nach hinten geworfen. Da Lauf und Verschluss (rot) mit dem Lauf (dunkel petrol) per Gasüberlastung verriegelt ist, wird die Lauf-Verschluss-Koppelgruppe nach hinten geworfen. Die ist erst durch die Geschossbewegung möglich, der im kleinen Bezugssystem wirkende Gasdruck hätte diese Bewegung nicht verursachen können.

Sobald die Lauf-Verschluss-Koppelgruppe eine kleine gemeinsame Strecke zurückgelegt hat, wird der Belastungszylinder im Lauf (dunkel petrol) über eine Gasentlüftungsbohrung im Waffengehäuse geschoben, aus denen die Gase im Überlastungszylinder austreten können. In Folge dessen kommt es zu einem abrupten Druckabfall in diesem Zylinder, worum der Belastungskolben (lila) seine Arbeitskraft verliert. Nun ändert sich das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitskolben, bestehend aus Patronenhülse und Verschluss (rot), und Belastungskolben, bestehend aus Belastungszylinder und Belastungskolben. Der Arbeitszylinder gewinnt wieder die Oberhand und so wird die Patronenhülse gegen den Verschluss (rot) durch die Pulvergase nach hinten geschoben. Der Verschluss ist wieder kraftschlüssig dynamisch verreigelt.

Möglich wird dies durch die Strömungsmechanik, das Gas im Belastungszylinder kann durch eine Öffnung ins Freie geladen, das noch im Lauf befindliche Gas muss zwei Öffnungen passieren.

Bild 5: Sobald das Geschoss den Lauf der Waffe verlassen hat, kommt es auch im Lauf und damit im Arbeitszylinder zu einem rapiden Abfall an Gasdruck. Der Verschluss (rot) hat jedoch im Idealfall bei der vorherigen Antriebsphase durch die Pulvergase genug kinetische Energie aufnehmen können, um den Rest seines Rücklaufes selbstständig zu bewältigen.

Quellen:

Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902

Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912

Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926

Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956

Waffen-Schmidt, Karl Böhlein & Rolf Brand, 1968

Waffenlehre für die Bundeswehr, Heinz Dathan, 1972

Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977

Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998

Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016

Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021

Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948

The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955

Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung von:

waffentechnik.wordpress.com

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