30. Juni 2022

Warum das G3 einen geringeren Rückstoß hat, als das FN FAL

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post.

Dass das G3 einen komplett anderes Rückschlag verhalten an den Tag legt als das FN-Gewehr, weiß jeder, der die beiden guten Stück schon mal geschossen hat aber warum das so ist dazu gibt es bislang keine zufriedenstellende technische Erklärung.

Pendelkanone
mit festen Stoßboden
Nun bin ich aber während einer Recherche, welche eigentlich den Fokus Messmethoden hatte, auf eine Antwort gekommen, welche mehr als nur zufriedenstellend ist.

Die Messmethode um die es geht ist der Pendellauf, eine Methode zur Ermittlung des Rückstoßes, die eigentlich jeder kennen sollte. Was man übrigens auch kennen sollte, um diesen Text hier zu verstehen ist der Unterschied zwischen Rückstoß, dem physikalischen Prinzip der Gegenreaktion auf einen schwereren Körper und Rückschlag, den Schlag welcher ab Ende seinen Weg in die Schulter des Schützen findet. 

Aber wieder zurück zur Methode, man hängt einfach einen Waffenlauf an zwei Seilen an ein Gestell, feuert das ganze ab und guckt, dass wie weil der Lauf, welcher gleichzeitig als Pendel fungiert, ausgeschwungen ist. Weiter Ausschwung viel Rückstoß, wenig Ausschwung wenig Rückstoß. Solange der Lauf über eine stoff- oder formschlüssige Verriegelung verfügt, sind hier Rückstoß und Rückschlag identisch.

Nun kommen wir aber zu einem modifizierten Aufbau unsere Pendelkanone. Jetzt ist das Rohr zu beiden Seiten offen und es befindet sich in der Mitte zwei Geschosse und dazwischen eine Pulverladung. Der Aufbau ähnelt also in etwa einem Gegenkolbenmotor. Welcher Bewegung des Pendels wäre nun in einem idealisierten Aufbau zu erwarten? Recht einfach, das Pendel bewegt sich nicht, da zwei Massen sich in zwei unterschiedliche Richtigen bewegen aber warum ist das so?

Pendelkanone mit
gleichen Massen
Dazu sehen wir uns das an, was eigentlich Jeder wissen sollte, der sich mit Feuerwaffentechnik beschäftigt: Die Übertragung der Gegenreaktion einer beschleunigten Masse über einen fluidmechanischen Körper.

Aber eines nach dem anderen, schließlich habe ich auch Leser, welche nicht so tief in der Materie stecken. Sobald das Triebmittel zwischen den beiden Geschossen zündet, entsteht ein Druck. Dieser beaufschlag alle ihn begrenzenden Flächen. Darunter sind auch die Böden der beiden Geschosse, welche hier wie die Stirnseiten von zwei Kolben fungieren. Das Druck auf diese Kolben bewirkt, dass sie sich im Lauf, welcher als Zylinder fungiert, bewegen. Die Geschossen werden beschleunigt.

Sobald die Geschosse beschleunigen entsteht nach dem dritten Gesetzt nach Isaac Newton eine Gegenreaktion, die wir aber erstmal noch nicht zu einem Rückstoß erklären, was man auch generell nicht tun sollte. Aber was macht diese Gegenreaktion? Recht einfach, die wirkt am gleichen Ort und mit gleicher Kraft aber in die entgegengesetzte Richtung.

Während das Gas auf das Geschoss drückt, drückt das Geschoss gleichzeitig in das Gas. Was passiert, wenn man auf einen Fluidkörper einwirkt, müsste eigentlich jeder wissen, der als Kind viel Zeit im Schwimmbad verbracht hat - es entsteht eine Welle. 

Diese Welle hat sogar einen Namen es ist die Lagrange-Welle, benannt nach einem Franzosen, welcher diese das erste mal, während der französischen Revolution, annähert berechnete. Wer sich für die genaue Berechnung samt Tabelle interessiert, kann dies bei Dr. Carl Cranz im zweiten Band des Lehrbuchs der Ballistik auf den Seiten 147 bis 150 nachlesen.

Es entsteht also eine Welle. Diese Wellt unterscheidet sich nicht großartig von den Wellen in anderen Fluiden und bewegt sich vom Geschossboden ausgehend vom Geschoss weg. Bei einer Waffe mit einem stoffschlüssigen Ende oder einem formschlüssigen Verschluss würde diese Welle irgendwann das hintere Ende der Waffe erreichen und dort quasi anbranden. Dabei würde sie einen Teil ihrer Bewegungsenergie auf den Stoßboden übertragen und es käme zu dem was wir als Rückstoß bezeichnen.

Pendelkanone mit
 ungleichen Massen
Bei unserem modifizierten Versuchsaufbau jedoch haben wir zwei Wellen. Denn auch das andere Geschoss verursacht eine solche Welle. Wir haben also zwei Wellen, die sich früher oder später treffen werden. Ich werde auch jetzt besser mit Konzepten wie Wellen-Interferenz oder dem Superpositionsprinzip verschonen und es einfach dabei belassen, dass auf beiden Seiten des Rohes das gleiche passiert. Das Resultat ist, dass sich das Pendel, wie erwartet, nicht bewegt.

Nun modifizieren wir den Aufbau erneut, ändern aber nur ein kleines Detail und zwar für wir dem linken Geschoss ein ganz klein wenig Masse hinzu. Es ist nun also schwerer und verfügt deswegen über eine größere Masseträgheit. Zünden wir die Treibladung, so beaufschlagt der Druck wieder alle ihn begrenzenden Flächen. Beide Geschosse werden also weiterhin mit der gleichen Kraft angetrieben.

Der Unterschied ist nun jedoch, dass sich das rechte Geschoss schneller bewegt, da es wegen seiner leicht geringeren Masse eine stärkere Beschleunigung erfährt. Wie auch im vorherigen Aufbau erzeugen beide beschleunigte Massen jeweils eine Gegenreaktion. Der Unterschied ist jedoch, das die stärkere Actio der leichteren Masse auch einen stärkere Reaktio zur Folge hat. Die Welle welche vom leichten Geschoss aus geht ist also stärker.

Nach der Berücksichtigung der oben genannten Konzepte wird diese Welle irgendwann bei linken Geschoss ankommen und einen Teil ihrer Energie auf dieses Übertragen. Dieses wiederum wird einen Teil der von der Welle erhaltenen Energie auf den Lauf übertragen. Zu beobachten ist nun, dass das Pendel ein wenig ausschwenkt aber nicht so stark, wie bei einem festen Stoßboden.

Der Grund ist, dass zwei, in entgegengesetzte Richtungen, bewegliche Massen auch immer jeweils eine eigene Gegenreaktion besitzen, welche sich in Wellen innerhalb der Pulvergase als fluidmechanischen Körper bewegen. Erst der Unterschied der Stärke dieser Wellen bestimmt die Stärke des Ausschwenkens des Pendels. Ist die Stärke der Wellen identisch so findet kein Ausschlagen statt.


Was das G3 angeht, so sieht unter Aufbau nun so aus, dass es zwar eine ganze Menge an Faktoren der Ungleichheit gibt aber das Prinzip das gleiche bliebt. Wir gaben ein Rohr, dabei handelt es sich zum Teil um den gezogenen Teil des Laufes und zum anderen um die Patronenkammer und das Waffengehäuse und zwei Geschosse. Das erste Geschoss ist das Geschoss an sich, das andere Geschoss ist die Patronenhülse mit dahinter liegendem Verschluss. Das Geschoss wird vom Gasdruck nach vorne Geschossen und erzeugt eine Welle - die Patronenhülse mit dem Verschluss dahinter wird nach hinten geschossen und erzeugt dabei eine Welle.

Jetzt ist das Geschoss zwar leicht aber dabei auch extrem schnell und so verursacht es eine nun deutlich stärkere Welle als der Verschluss. Aus diesem Grund ist der Rückstoß nun deutlich mess- und spürbar, liebt aber immer noch deutlich unter dem Wert, einer Waffe mit festem Stoßboden.

Aber wie eingangs erwähnt ist Rückstoß noch lange nicht Rückschlag und damit kommen wir zu einem kleinen Abriss zu diesem Thema. Das Problem des G3 liegt hier in der enormen Verschlussträgergeschwindigkeit, diese wird durch die Übersetzung verursacht, welche beim G3 für die sichere Waffenfunktion notwendig ist. Schlägt dieser beschleunigte Verschluss hinten am Waffengehäuse an, so überträgt er fast seine gesamte kinetische Energie auf das Waffengehäuse und damit auf den Schützen. Das G3 hat also erst einen recht milden Rückstoß aber dann einen recht heftigen Verschlussträgeranschlag. Es wirken demnach zwei mittlere Kräfte kurz hinter einander, welcher sich jedoch wie ein langgezogenen Rückschlag anfühlen.

Das FN FAL hingegen übergibt, als Waffe mit beim Schuss feststehendem Stoßboden, den vollen Rückstoß an das Gehäuse. Es gibt keine Gegenwelle. Dafür ist der Verschlussträgerrücklauf langsamer, da dieser von aus dem Lauf abgezapften Gasdruck angetrieben wird.

Oft wird bedeutet, das FN FAL hatte einen geringeren Rückschlag, da Gas aus dem System gezapft wird. Darauf kann man nur entgegnen, dass man doch bitte mal Gebrauch vom einstellbaren Gassystem der Waffe machen soll. Wählt man beim FN FAL immer größere Öffnungen so wird es für den Schützen immer unangenehmer. Es geht zwar tatsächlich mehr und mehr Gas verloren, jedoch erhöht sich auch immer und immer mehr die Verschlussträger Geschwindigkeit und letztere ist für den Rückschlag sehr viel wichtiger als das bisschen Gas.

Im übrigen hingt der Vergleich von G3 und FAL ohnehin ein wenig, da bei de Waffe unterschiedliche Lauflängen ausweisen und zudem die meisten FAL Versionen mit Mündungsfeuerdämpfern ausgestattet sind, welche man zumindest als Expansionsröhren ansehen kann.

Anmerkung:

Hier noch kurz ein Nachtrag zur Welle. Natürlich bildet sich nicht ab einer bestimmten Geschwindigkeit, der jeweils beschleunigten Masse, plötzlich eine große Welle. Viel mehr müsste man mit vielen kleinen Wellen rechnen, die mit zunehmender Beschleunigung der betreffenden Masse immer stärker werden. Die Reduktion auf eine Welle ist eine Vereinfachung, welche sich Lagrange, Vielli, Hugoniot, Charbonnier, Gossot-Lioville und Love-Pidduck aber ebenfalls erlaubt haben.

Kurioses:

Ich habe eine Nachricht bekommen, nachdem sich nur die leichtere Masse bewegen soll, weil Druck immer den Weg des geringsten Widerstandes nähme. Nein, das mit dem geringsten Widerstand ist Strom, also elektrischer Strom - Gas in geschlossenen Systemen funktioniert anders. Eingeschlossenes Gas beaufschlagt alle umgebenden Flächen mit der gleichen Kraft pro Fläche (Fn=a*p). Bekommt der Druck also zwei Flächen geboten, an denen er Arbeit verrichten kann, so verrichtet er Arbeit entsprechend der ihm zur Verfügung stehenden Fläche (a). 

Beispiel: Wenn ein Schotte auf einem Dudelsack spielt und dessen Sack zwischen seinen Rippen und seinem Arm einklemmt, welche Pfeife wird dann einen Ton von sich geben, nur diejenige mit dem größten Loch, da diese ja den geringsten Widerstand bietet oder würde man einfach alle Pfeifen hören?

Noch ein Beispiel, ein Druckbehälter hat zwei Sicherheitsventile, eines mit Grenze von 100, das andere mit einer Grenze von 200 Bar. In dem Behälter befindet sich aber ein Druck von 1000 Bar. Welches Ventil würde sich öffnen, nur das mit der 100 Bar Grenze, da es den geringeren Widerstand bietet oder würden einfach beide Ventile sich öffnen? 

Ich weiß natürlich das solche Behauptungen absoluter Unsinn sind und von Leuten kommen, die wahrscheinlich keinen richtigen Schulabschuss haben aber ich finde sie recht kurios.

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