21. Juni 2022

Hat "Moderne Handfeuerwaffen" von "Infanteriewaffen Heute" abgeschrieben?

Hallo alle zusammen und damit herzlich Willkommen zu einem neuen Beitrag.

Na da bin ich ja mal  wieder über eine schöne Kuriosität in der deutschen Waffenliteratur gestolpert aber eines nach dem anderen, denn die Geschichte ist echt lustig. Alles hat damit angefangen, dass ich mir vor einigen Monaten ein Video der Waffenlords angesehen habe. Ihr wisst schon diese deutschen Jungs, die mit Pappys Waffen spielen dürfen und darüber unfassbar schlechte YouTube drehen.

Ich frage mich ja schon länger, woher die Junge den Unsinn haben, den sie so über Pappas Waffen erzählen. Sie sagen zwar in ihren Videos immer, dass ihr Wissen aus Fachliteratur stammt aber selbst auf mehrmalige Anfrage können sie weder einen Autoren noch einen Titel nennen. Aber im besagten Video wurde etwas so unfassbar krudes behauptet, dass ich da einfach mal nachsehen musste. Dazu sollte ich eventuell kurz erwähnen, dass man nicht jede Falschaussage unbedingt gut in die Fachliteratur zurück verfolgen kann aber wenn der Fehler extrem komisch ist, wird es in der Regel recht einfach, weil besonders krude Fehler nicht so oft abgeschrieben werden.

Der Fehler um den es geht ist folgende Behauptung:

"Der IMI Galil* hat Bohrungen, durch welche die Pulvergase strömen, dabei säubern diese Pulvergase den Verschluss der Waffe."

Dass das völliger Unsinn ist, sollte jedem klar sein. Aber meine Frage war jetzt, wo die Waffenlords diese Behauptung aufgeschnappt haben könnten. Und wie immer, wenn es darum geht Unsinn in der deutschen Waffenliteratur ausfindig zu machen, gibt es grundsätzlich immer zwei Verdächtige. Und zwar genau die beiden Bücher, welche auch für das Groß des Unfugs in der deutschen Wikipedia verantwortlich sind.

Einmal das Buch Schützenwaffen Heute ein Buch aus der ehemaligen DDR, das früher Anfängern oft empfohlen wurde aber heute als hoffnungslos veraltet gilt und Moderne Handfeuerwaffen aus der Reihe Waffen und Gerät - ihr wisst schon, diese rechteckigen Kladden, die an der kürzeren Seite Gebunden sind. 

Da ich zum Glück nur erstes Buch habe, hab ich da auch gleich mal nachgesehen aber meinen Mitautoren mal gebeten, im zweiten nachzusehen, da mein geschätzter Helfer ja ein Herz für schlechte Waffenbücher hat, besitzt Danny natürlich ein Exemplar von Moderne Handfeuerwaffen.

Ich bin dann in Schützenwaffen Heute auch sehr schnell fündig geworden und so finden sich im ersten Band ganz hinten bei Israel auf Seite. 261-262 die folgenden Worte:

"Durch die secht Bohrungen des Gaskolbenführungsringes entweicht eine geringe Menge des Gases nach hinten, reinigt dabei Verriegelungszapfen, Stoßboden und Zubringer. Verschmutzung durch Sand, Wasser oder Schlamm werden somit vermieden."

Nun dachte ich mir schon, dass wir nun die Quellen des Wissens der Waffenlords kennen aber kaum hatte ich das gedacht, meldet sich mein Mitautor bei mir, um mir zu erklären, dass in Moderne Handfeuerwaffen auf Seite 112-113 folgendes zu lesen ist:

"Durch sechs Bohrungen im Führungsring des Gasklobens strömt eine geringe Menge der Pulvergase nach hinten und reinigt dabei Verriegelungswarzen, Stoßboden und Gleitbahn des Verschlusses, wodurch Verschmutzungen und Funktionsstörungen durch Sand, Wasser oder Schlamm vermieden werden."

Der Übeltäter, Moderne Handfeuerwaffen, Ian Hogg
Das ist ja ziemlich offensichtlich Beiname der gleiche Text. Wie gelangt denn der Text eines Buches aus der ehemaligen DDR in ein Buch, welches angeblich aus dem Englischen übersetzt wurde? Moderne Handfeuerwaffen stammt übrigens von Ian V. Hogg und heißt im Original Small Arms: Pistols and Rifles und ist bei Greenhill Military Manuals erschienen.

Das naheliegendste ist natürlich, dass Willi Kaiser, der Übersetzer von Moderne Handfeuerwaffen, bei den Autoren von Infanteriewaffen Heute abgeschrieben hat, was ja eigentlich nicht seine Aufgabe war, er sollte lediglich übersetzten. Um hier Klarheit zu schaffen, müsste man sich nun das englische Original ansehen aber das scheint ,stand 21.06.2022, keiner zu besitzen, den ich kenne und auch in keiner deutschen Bibliothek zur Einsicht verfügbar zu sein.

Fazit: Modere Handfeuerwaffen sollte man nach wie vor nicht als seriöse Quelle ansehen.

P.S.

Interessant sind zudem die keinen Änderungen wie von Gaskolbenführungsringes zu Führungsring des Gasklobens oder von Zubringer zu Gleitbahn des Verschlusses. Was übrigens zwei verschiedene Sachen sind, das eine bezieht sich auf die Platte im Magazine, welche die Patronen nach und nach nach Oben befördert und das anderen kennen wir einfach als Verschlussbahn. Warum hier getauscht wurde bliebt unklar.

Das beiweitem interessantestes sind aber die technisch korrekten Verriegelungszapfen welche aber zu genau den Verriegelungswarzen wurden, welche einige Waffentechniker versuchen sprachlich auszurotten, da es sich um einen untechnischen Begriff handelt.

Nachtrag vom 21.04.2023

Da man sich das englischsprachige Original mit dem Titel Small Arms: Pistols and Rifles mittlerweile bei Archive.org digital ausleihen lässt, habe ich natürlich sofort doch nachgesehen und konnte feststellen, dass sich im Kapitel über Galil und Galatz auf den Seiten 120 bis 123 (Link) der Unsinn mit der Selbstreinigung nicht auffinden lässt. Auch eine Auskopplung mit dem Titel Modern Military Rifles von John Walter, mit beinahe identischem Text, lässt im Kapitel über den Galil auf den Seiten 85 bis 86 (Link) die Selbstreinigung vermissen. Dafür wird dort jedoch angegeben, dass der Galil AR keinen Spanngriff (cocking handle) mehr besitzen würde, wahrscheinlich war hier Tragegriff (carrying handle) gemeint. 

*Galil (heb. גליל) bedeutet Galiläar, also eine männliche Person die in der Gegend von Galiläa wohnt. Es ist folglich der Galiläa, wie es dann der Galil ist.

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