2. März 2021

Unterschied zwischen Kaliber, Patrone und Munition - Kritik II

 Hallo und herzlich Willkommen zu einem neuen Post,

nun was ist denn da passiert. Da haben doch tatsächlich ein paar Jäger und Sportschützen unsere alte Serie über Kaliber, Patronen und Munition gefunden und diskutieren darüber. Aber eins nach dem anderen, schließlich benötigt das Thema ein wenig Kontext.

Im Jahre 2012, als wir beide noch kein und niedlich waren, haben wir öfter mal Artikel zum Thema Waffentechnik geschrieben. Die Hauptintention war damals vor allem Gamern das Thema näher zu bringen und dafür zu sorgen, dass die ganzen selbsternannten Videospiel-Waffen-Experten dieser Zeit wenigstens die grundliegenden Fachwörter richtig benutzen. 

Damals waren wir wie gesagt noch etwas jünger. Ich fand Waffen nur spannend, wenn sie in Videospielen vorkamen und Danny war gerade dabei für eine Ausbildung zum Büchsenmacher zu lernen. Wir waren also quasi noch ganz am Anfang. Trotzdem habe ich mich damals schon gerne mit Leuten angelegt, wenn auch meist nur passiv mit dem Verfassen von Artikeln. Wenn es eine weit verbreitete Meinung zu einem Thema der Waffentechnik gab, welches auch nur den leichten Anschein gemacht hat, dass diese angreifbar sein könnte, gab es schnell einen Artikel von mir dazu, wie eben jenen zur Unterscheidung von Kaliber, Patrone und Munition.

Aber springen wir in die heutige Zeit und in dieser habe ich seit Jahren mal wieder meinen Nicknamen gesucht und bin auf einen Thread im Forum von Wild und Hund gestoßen, in welchem jemand fragt, was denn von meinem Artikel zu halten sei.

Forum Wild und Hund: Völliger Unsinn oder doch wahrer Kern?

Ich hab mir bei der Überschrift natürlich erstmal gedacht, der Artikel ist so alt, da können wirklich Fehler drin sein. Also hab ich erstmal den Thread gar nicht gelesen, sondern hab mir erstmal meinen eigenen Artikel durchgelesen. Denn in 9 Jahren ist viel passiert und da kann ja einiges an Quatsch drin stehen.

Aber nachdem ich die Artikel alle noch mal gelesen hatte, konnte ich nur einen Fehler finden und zwar dass der Verschluss vom Gewehr G3 von uns damals als verzögert bezeichnet wurde, obwohl er zu den übersetzten beziehungsweise zu den verlangsamten Verschlüssen gehört. Es ist erstaunlicherweise alles in unserem Artikel so beschreiben, wie man es auch in der Fachliteratur finden. 

Im Gegensatz zu mir hat Danny da besonnener reagiert und nur flach gemeint: Das sind halt die typisch überheblichen Sportschützen, bei denen kickt mal wieder der Gunning-Kruger-Effekt. Dazu muss ich kurz erklären, dass wir jetzt ja 2021 haben und wir nicht mehr so klein und niedlich sind wie früher. Denn jeder von uns hat mittlerweile einen ziemlich umfassenden und vor allem vielseitigen Wissensschatz zum Thema Waffentechnik. Und im Gegensatz zu früher, sind Sportschützen und Jäger jetzt keine Bedrohung mehr, dessen Urteil und Sachkunde man als Gamer zu achten und zu fürchten hat, sondern viel mehr lol-Cows die man, zur persönlichen Belustigung, mit einfachen Fragen schnell nach belieben verunsichern und überfordern kann.  

Also sehen wir uns doch mal an was unsere Jäger hier über uns denken. Es geht ihnen wohl um den Satz:

"Denn es heißt nicht: Die MP5 hat das Kaliber 9x19mm. Denn das Kaliber hat noch nicht mit der Länge der Patronenhülse zu tun. Richtig ist nur: Die MP5 hat das Kaliber 9mm. Den das Kaliber ist nur der Innendurchmesser des Laufes, wenn man von einer Waffe Spricht."

Was vollkommen richtig ist, denn das Kaliber ist nur das Innendurchmesser und hat nichts mit Hülsenlänge und Patronenlager zu tun. Das sieht die Fachliteratur übrigens genau so. Vergleiche dazu Manfred R. Rosenberg und Katrin Hanne, Vom Pulverhorn zum Raketengeschoß Die Geschichte der Handfeuerwaffen-Munition, Stuttgart 1993.

Unser Jäger erklärt dazu: doch wurde (so weit es mir beigebracht wurde) für eine deutlichere Unterscheidung im metrisch vor allem neben dem Nennkaliber auch noch die Hülsenlänge verwendet

Da haben wir es ja, es wurde ihm so beigebracht. Jetzt müssen wir nur noch wissen wo. Was aber recht einfach ist, denn er ist Jäger und das wird wahrscheinlich der Waffentechnische Teil der Jägerprüfung gewesen sein. Und wenn man sich mit den deutschen Waffenfachsprachen auskennt, dann wird man wissen, dass es in der Jägersprache eine Ausnahme gibt. Dort sind nämlich Angaben wie 8x57 wirklich Kaliber, also Zahl X Zahl ohne Maßeinheit. Das Problem wir jedoch sein, dass der Herr keine Ahnung hat, dass er eine Sondersprache innerhalb der Waffentechnik spricht. Wie auch, wenn man nie mal über den Tellerrand sieht und seine eigene Sprache für die einzig maßgebliche hält. Den gleichen Effekt hat man übrigens auch oft bei Bundeswehrsoldaten und Sportschützen, die sich gegenseitig angiften darüber ob es nun Lauf oder Rohr, Schlitten oder Verschluss heißt.

Unser Jäger weiter: beim zöllischen System wurden neben dem Geschossdurchmesser zusätzlich Namen, Einführungsjahr oder Schwarzpulvermasse der Ladung

Das mit dem zöllschen System ist übrigens falsch. Das ist das Inch-System, in Fachkreisen wird immer wieder davor gewarnt das englische Inch mit dem deutschen Zoll gleichzusetzen. Vor allem Verwechslungen und Unfälle im Umgang mit Waffen preußischen Ursprungs zu vermeiden. Den Fehler haben wir damals aber auch gemacht. Name, Einführungsjahr und Schwarzpulvermasse haben übrigens nichts mit dem Kaliber zu tun, das sind Bezeichnungen für Patronen. Das tut man eben, damit man nicht .30 Carbine mit .30-06 verwechselt, aber ich schätze er hat den Artikel Patronenname nicht gelesen.

Unser Jäger weiter: Somit ist die Aussage "im Kaliber 9x19mm" grundsätzlich richtig. Da wirft sich die Frage auf, mit welchen Experten haben wir es hier zu tun?

Das unser Jäger jetzt einfach mal beschlossen, dass das richtig ist. Irgendein schlüssigen Argument oder eine Quelle fehlen hier. Stattdessen wird sofort der adHominem ausgepackt und wild über die Person hinter der Aussage spekuliert.  Nichts, was man aus einem Sportschützen-Bingo nicht schon kennt. Dennoch kann man die Frage einfach zurück geben und fragen, ob der werte Herr eine Qualifikation besitzt, die über die Jägerprüfung hinaus geht?

Unser Jäger weiter: Nach kurzem Durchlesen der Webseite scheint die Antwort, anhand von Formulierungen, Begründungen und nicht wenig Falschaussagen, schnell gefunden

Ich würde ja nur zu gerne wissen, welche Formulierungen denn das bitte sein sollen. Gut als Anfänger konnten wir uns damals noch nicht so gewählt ausdrücken wie heute aber was haben Formulierungen mit Expertise zu tun? Eine fachliche Aussage ist entweder falsch oder richtig. Womit wir zu den Falschaussagen kommen, denn diese würde ich nur zu gerne genannt wissen. Ich habe bereits erwähnt das wir den verzögerten mit dem übersetzten Verschluss verwechselt haben aber zumindest Danny ist der Meinung, dass es das fast unmöglich sein kann. Zumal ist ja auch noch von mehreren Falschaussagen die Rede.

Aktuell sieht es einfach so aus, als würde sein Gedankengang in etwa so aussehen:

Das 9x19mm kein Kaliber ist ist falsch und der Artikel ist falsch weil dort behauptet wird, das 9x19mm kein Klaiber ist.

Der Artikel ist in seinen Augen also einfach darum falsch, weil er falsch ist. Die Ouroboros-Schlange beißt sich also mal wieder in den eigenen Schwanz und frisst sich auf.

Unser Jäger weiter: diese "Experten" scheinen in der Materie lediglich oberflächliches "Internetwissen" zu besitzen.

Das ist merkwürdig unsere Unterscheidung ist feiner und geht tiefer als seine aber laut ihm oberflächig? Diese Logik sollte er uns mal genauer erklären, denn in der Regel verteidigen Sportschützen und Jäger ihre falschen und schwammigen Definitionen von Begriffen immer mit den Schlagworten Vereinfachung und Umgangssprache. Zumal er dann bei der Gelegenheit auch mal Internetwissen definieren sollte. Nun kann man heute auf jeder seriösen Internetseite den Unterschied von Kaliber und Patrone nachlesen aber 2012 war das Angebot noch rar gesät. Wie auch immer, er hat scheinbar überlesen, dass wir uns damals vorwiegend auf Günter Wollert, Reiner Lidschun und Wilfried Kopenhagens Buch Schützenwaffen Heute (1945-1985) gestützt haben. Heute wissen wir natrülich, das sehr viele Mehr Fachbuchautoren unsere Meinung sind.

Zudem haben wir uns 2012 an keiner Stelle als Experten bezeichnet aber das hat bei Sportschützen eh Tradition, dass sie einem viel unterstellen wenn der Tag lang ist. Dazu ein passendes Zitat von Nietzsche:

Auf Einwände des Gegners, gegen welche sich unser Kopf zu schwach fühlt, antwortet unser Herz durch Verdächtigung der Motive seiner Einwände.

Aus dem Erguss unsere Jägers ist also nicht abzulesen, dass wir 2012 noch keine Ahnung hatten, sondern dass unser werter Herr unter einem Effekt leidet, welchen man in der Waffentechnik als den Gunning-Kruger-Effekt kennt. Der gute Herr hat alles aber nur keine umfassenden Kenntnisse zum Thema Waffenkunde, jedoch denkt er er würde über diese verfügen. Grund dafür ist, dass er die Waffenkundeprüfung bestanden hat und jetzt selber eine Waffe besitzt.

Übertragen in den Alltag hätten wir es hier mit einem Menschen zu tun, der die Führerscheinprüfung bestanden hat und zudem ein Auto besitzt. Und der jetzt nicht besseres zu tun als einen KFZ-Mechaniker und eine Automobil-Historiker jetzt darüber belehren zu müssen, das man sein Auto ja mit Benzin tankt und nicht mit ROZ 98 E100.

Passen dazu finden wir auch im Artikel Gunning-Kruger-Effekt im Waffen-Online Wiki:

Die AK-47 hat das Kaliber 7,62x39mm; Nein, die Angabe 7,62x39mm enthält zwar ein Kaliber ist aber keines, sondern eine Patronenabmessung. Betroffene können oft nicht zwischen Kaliber, Patronenabmessung und Patronename unterscheiden. Dabei werfen sie alles drei in einen Topf und bezeichnen es als Kaliber. Dabei bezieht sich Kaliber lediglich auf den Innendruchmesser des Laufes. Die richtige Kaliberangabe der AK-47 lautet also nur 7,62mm, so werden sie und anderen Waffen auch gekennzeichnet und bezeichnet. Im Fall der AK Als Калибр 7,62 mm Автомат Калашникова im Fall des M16 als US Rifle Cal. 5.56-MM, M16.

P.S.

Und falls sich wer fragt, warum ich die Herren nicht persönlich mit ihrer Unwissenheit konfrontiere. Man kann im Forum nur schreiben, wenn man die Zeitschrift für ein Jahr abonniert. Aber ich schätze die meisten Sportschützen und Jäger wissen mittlerweile, warum sie besser unter sich bleiben.

Online Quellen:

Waffen-Online: Artikel Kaliber

Waffen-Wiki: Artikel Kaliber

Waffentechnik Wiki: Artikel Kaliber

Literatur Quelle:

Manfred R. Rosenberg und Katrin Hanne, Vom Pulverhorn zum Raketengeschoß Die Geschichte der Handfeuerwaffen-Munition, Stuttgart 1993

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