29. Juli 2024

Einfluss von Schalldämpfern auf automatische Waffen

Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neune Post zum Thema Waffenkunde.

Ich musste neulich wieder die Aussage hören, dass man es ja gar nicht voraussehen könnte, ob ein Schalldämpfer bei einer automatischen ergo selbstladenden oder schnellfeuerfähigen Waffe nun Unterfunktion oder Überfunktion entsteht.

Ja gut, dass kann man natürlich nicht, wenn man nicht weiß, welche Waffen von welchen Kräften angetrieben werden und Gasdruck nicht vom Rückstoß unterscheiden kann. Das ist als würde man versuchen zu kochen, ohne in der Lage zu sein Zucker von Salz zu unterscheiden.

Deswegen erstmal die Grundladen, die eigentlich Jeder, der sich mich Waffentechnik auseinandersetzt beherrschen sollte. 

Waffen mit Masseverschluss, werden vom Gasdruck angetrieben wie man anhand dieser einfachen Rechnung hier nachvollziehen kann oder wie man in diesen Fachwerken nachlesen kann.

Waffen mit Gasbohrung oder Staudüse werden ebenfalls vom Gasdruck angetrieben.

Waffen mit lang zurückgeleitendem Lauf werden vom Rückstoß angetrieben, der lokal wirkende Gasdruck kann eine Lauf-Verschluss-Koppelgruppe nicht bewegen, genauso wie ein Dampfdrucktopf nicht plötzlich durch die Küche fliegt, weil der Deckel von unten Druck erfährt. 

Soweit so einfach, das erste mal kompliziert wird es erst bei Waffen mit kurz zurückgleitendem Lauf, denn das kurze zurückgeleiten des Laufes wird zwar durch den Rückstoß bewerkstelligt und damit auch die Entriegelung. Jedoch passiert dies so früh, dass noch mehr als genug Gasdruck im Lauf vorhanden ist, um den Verschluss nach hinten zu treiben. Die Verschlussöffnung wird also hier durch den Gasdruck angetrieben.

Mit diesen Erkenntnissen ergibt sich der erste Teil unserer Tabelle.

  • Masseverschlüsse erleben Überfunktion
  • Waffen mit Gasbohrungen oder Staudüsen erleben Überfunktion
  • Waffen mit lang zurückgleitendem Lauf erleben Unterfunktion
  • Waffen kurz zürckleitendem Lauf erleben beim Entriegeln Unterfunktion
  • ...aber beim öffnen des Verschlusses Überfunktion
Die Ursache für die Überfunktion von Gasdrucklader ist einfach, dass das Gas länger im System gehalten wird. Die meisten Gasdrucklader (Masseverschlüsse wie auch solche mit Laufbohrungen und Staudüsen) sind drauf ausgerechnet, dass es mit dem Austritt des Geschosses aus der Mündung, zu einem rapiden Gasdruckabfall kommt. Dieser schiebt sich jedoch Zeitlich weit nach vorne und so hat der Gasdruck deutlich länger Zeit auf direkt auf den Verschluss (bei Masseverschlüssen) oder auf Gaskolben (Gasdrucklader mit Hubkolben) oder Teile des Verschlusses (Gaseinleitung) einzuwirken.

Die Ursache für die Unterfunktion bei Rückstoßlader liegt in der Zusätzlichen Masse am Lauf, welche mit bewegt werden muss. Die meisten Rückstoßlader sind darauf berechnet, genau ihre Laufmasse zu bewegen, wenn auch mit Spielraum. Wird diese zu bewegende Masse erhöht, so ergibt sich Unterfunktion.

Gleiches gilt für Rückstoßlader mit kurz zurückgleitendem Lauf, nur das dort die Entriegelung sehr früh geschient und nach dem Übergang von der formschlüssig statischen Verbindung zur kraftschlüssig dynamischen der verbleibende Gasdruck im Lauf den Verschluss- oder Schlitten-Antrieb übernimmt. Dies ist gut zu beobachten bei Waffen, dessen Auszieherkralle entfernt wurde und welche trotzdem zum Auszug und teilweise sogar zum fehlerfreien Auswurf von Patronen fähig sind, nachdem das Geschoss den Lauf der Waffe verlassen hat, da ab diesen Zeitpunkt der Rückstoß nicht mehr in der Lage ist, auf Waffenteile einzuwirken.

Jetzt wird es aber nochmal kurz kompliziert und wir müssen uns kurz mit dem Thema Rohrhub beschäftigen. Dieses Phänomen dürfe am ehesten von Maschinengewehren wie dem MG42 oder MG08/15 bekannt sein. Hier wird das Rohr selber als Gaskolben verwendet und vom Gasdruck in einer Staudüse nach hinten geworfen.

Dieser Effekt tritt aber nicht nur dann auf, wenn man ihn haben will, sondern immer, wenn sich dem Gasdruck die Gelegenheit bietet, sich zwischen einen beweglichen Lauf und das Waffengehäuse zu drängeln. Wichtig wird dieser Effekt, wenn wir uns mit Schalldämpfer beschäftigen, welche nicht an die Rohrmündung also ein Laufgewinde, sondern am Waffengehäuse befestigt werden, denn dann gelten Teilweise komplett andere Regeln für den Einfluss von Schalldämpfern auf automatische Waffen.
  • Gasdrucklader erleben weiter Überfunktion, da ihre Läufe meist feststehen.
  • Rückstoßlader mit lang zurückgleitenden Läufen erleben Überfunktion.
  • Rückstoßlader mit kurz zurückgleitenden Läufen erleben Überfunktion beim Entriegeln und Laden.
Die zunächst vom lauffesten Schalldämpfern benachteiligen Rückstoßlader erleben nun, durch Rohrhub, durchgehen Überfunktion. Die lauffesten Schalldämpfer verhalten sich, an der Mündung der Waffe, wie die Staudüsen von MG42 und MG08/15 und verwandeln die Waffen praktisch in Gasdrucklader.

Schalldämpfer und automatische Waffen Als praktische Tabelle

Fazit:

Wir sehen also, dass das Verhalten von automatischen Feuerwaffen in Verbindung mit herkömmlichen Schalldämpfern nicht dem Zufall überlassen ist, sondern sehr wohl vorausgesehen werden kann, wenn man zwei Bedingen erfüllt. Ernstes muss man sich an die wissenschaftliche Einteilung von Antriebssystemen halten. Zweitens muss man in der Lage sein Gasdruck und Rückstoß zu unterscheiden und drittens muss man zwischen laufwesten und gehäusefesten Schalldämpfer unterscheiden und den Effekt des Rohrhubes kennen.

Appendix:

Es existieren natürlich auch Schalldämpfer, welche diese Probleme durch besonderen Konstruktionen umgehen. So schalten Schalldämpfermasseentkoppler (Nielsen Device) die Unterfunktion bei Waffen mit kurz zurückgleitendem Lauf weitgehend aus. Schalldämpfer mit entlüfteter Erststufe (Flow Through Design) erzeugen bei Gasdruckladern weniger Überfunktion und Schalldämpfer mit deutsch erweiterter Erststufe erzeugen bei Rückstoßladern deutlich weniger Rohrhub.

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