29. April 2021

Innenballistische Abläufe falsch framen: Tipps für Sportschützen

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post.

Wenn ihr Sportschützen seit, kennt ihr sicher dieses eine Problem. Ein Büchsenmacher, ein Waffentechniker oder sonst eine Art der typischen Besserwisser behauptet, das eure Waffe mit Feder-Masse-Verschluss gar kein Rückstoßlader ist?

In dem Fall kennt sicher jeder von euch einen studierten Ingenieur oder sogar einen Physiker, der euch sicher recht geben wird, das der Büchsenmacher gar keine Ahnung hat und eure Waffe nach den Gesetzten der Physik ein Rückstoßlader ist.

Bevor ihr das tut, müsst ihr jedoch einige Vorkehrungen treffen, sonst könnte euer Ingenieur oder Physiker noch hergehen und euch erklären, warum ihr falsch lagt. Zum Glück haben die wenigsten Ingenieure und Physiker Ahnung von Handfeuerwaffen und genau das könnt ihr nutzen, um die Rahmenbedingungen auf englisch Frame so zu stecken, dass ihr Recht bekommt.

Punk #1: Erzählt dem Physiker, dass es in der Patronenhülse zu einer Explosion kommt. Das ich wichtig weil eine, an innenballistischen Maßstäben gemessen, langsame Verbrennung eine andere Beschleunigungskruve der Geschossmasse verursachen würde. So würde der Rückstoß in den Lauf wandert und da wollt ihr ihn gedanklich nicht haben, denn er muss ja hinten der Verschluss aufdrücken.

Punk #2: Erzählt dem Physiker, dass das Hülsenmaterial stark und unverformbar ist. Das ist wichtig damit dieses der Explosion aus Punkt #1 standhält und sich zudem direkt nach hinten bewegen kann. Nicht das der Physiker noch auf die Idee kommt, materialurgische Überlegengen anzustellen und merkt, dass die sogenannten Liderung zu einer starken Reibschlüssigen Verbindung zwischen Patrone und Patronenkammer führt.

Punkt #3: Erzählt dem Physiker auf keinen Fall etwas vom Übergangskonus. Denn wenn dieser erfährt, dass das Geschoss außerhalb der Hülse nochmal komplett zum stehen kommen kann, könnte der Physiker die Frage stellen: Wie kann der Rückstoßimpuls auf den Stoßboden wirken, ohne das eine mechanische Verbindung zwischen Beiden besteht?

Punkt #4: Erzählt dem Physiker auf keinen Fall wie stark die Reibung zwischen Geschoss und Lauf ist. Stellt es am besten so dar als würde das Geschoss die Felder eines gezogenen Laufes gerade so berühren. Denn wenn ihr im sagt, dass dort enorme Reibungskräfte auftreten, könnte er eventuell auf die Idee kommen, dass durch diesen Kontakt der Rückstoßimpuls auf den Lauf übertragen werden würde.

Punkt #5: Erzählt dem Physiker dass Patronenhülse und Patronenlager eine Einheit bilden. Das ist zwar optional aber es hilft dem Physiker extrem bei der Denkarbeit. In Verbindung mit den anderen Punkten ergibt sich bei jedem Physiker schnell das Bild einer alten Kanone. Die Hülse mit ihrem Geschoss verhält sich in seinen Augen jetzt so, wie eine kleine eigene Kanone, welche ihre Kugel einfach nur in ein erweitertes Rohr schießt ..

.. Und so wie eine alte Kanone mit ihrem Rückstoß auf ihren hölzernen Rädern nach dem Schuss nach hinten fährt, so drückt halt eine abgefeuerte Patrone auf den Stoßboden des Verschlusses der modernen Feuerwaffe.

Wir haben es geschafft, wir haben einen studierten Physiker dazu gebracht uns recht zu geben. Und das alleine dadurch, dass wir bei den Rahmenbedingungen ein wenig geflunkert haben. Das ist zwar für die Wissenschaft der Waffentechnik absolut schädlicher aber wir haben damit noch etwas viel schlimmeres verhindern können und zwar Schaden an unserem Ego, wäre ja noch schöner wenn jemand wie ein Büchsenmacher oder Waffentechniker recht hat, der nicht wir als Sportschützen, die wir selber legal Waffen besitzen dürfen.

Nachtrag

Aus den Reihen der Leser kamen zwei Vorschläge, die hier nicht unerwähnt werden sollen.

Punk #6: Zu einem kam der Vorschlag, dem Physiker den mittleren Gasdruck zu präsentieren. Dabei handelt es sich um eine Vereinfachung, bei welcher man nicht mit einem anteigenden und wieder sinkenden Gasdruck rechnet, Sondern von mit einem gleichbleibenden konstanten Gasdruck. Diese Vereinfachung ist eigentlich für die Berechnung des Rückschlages der Waffe gedacht. Verwendet man sie jedoch bei der Berechnung des Geschossimpulses, so schiebt der konstante Gasdruck das Geschoss konstant an und das wiederum resultiert in einem konstanten Gegen-Impuls. Letzteres soll unseren Physiker dazu bringen, zu denken, dass der Rückstoß jetzt den Verschluss öffnen kann.

Ich halte von der Idee jedoch relativ wenig, denn wenn man einem Physiker erklärt, dass man doch bitte etwas vereinfachen soll, könnte dieser sehr schnell auf die Idee kommen zu fragen warum. Und wenn unser Physiker dabei auf die echten innenballistischen Druckverläuft aufmerksam wird, ist für uns erstmal Ende.

Punkt #7: Um einiges besser funktioniert eine andere Idee. Dabei sollt man dem Physiker ausgesuchte us-amerikanische Videos zeigen, in denen Waffenkundige das Wort Recoil benutzen. Dabei muss man allerdings verschweigen, dass das englische recoil fester Bestandteil der dortigen Umgangssprache ist und auch so viel wie schnell zurücklaufend oder abrupt zurückfahrend bedeuten kann.

Dieser Tipp ist zwar besser als der erste, könnte aber schnell Probleme machen. Denn wenn man bei der Auswahl der Videos nicht aufpasst, sagt ein US-Amerikaner auch mal schnell, dass das Gehäuse eines Gasdruckladers den Recoil des zurücklaufenden Verschlusses aushalten muss. Zudem sind US-Videos hoch problematisch, weil es im Englischen absolut klar ist, das Blowback und Recoil zwei verschiedene Sachen sind.


Ich hoffe euch hat diese kleine Satire gefallen. Für alle die sich für die wirklichen Abläufe der Innenballistik interessieren, wären folgende Quellen als Herz gelegt:

* Verschlusssysteme von Feuerwaffen von Peter Dannecker erschienen bei dwj Verlags GmbH 

* Vom Pulverhorn zum Raketengeschoß Die Geschichte der Handfeuerwaffen-Munition von Manfred R. Rosenberg, Katrin Hanne erschienen bei Motorbuch Verlag

* Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book for, Shooters, Gunsmiths, Ballistics, Historians, Hunter and Collectors von Julian S. Hatcher erschienen bei Military Service Publishing Company

zudem die Artikel:

Explosionsdenkfehler auf Waffen-Online.de

Falschverortung der Rückstoßkraft auf Waffen-Online.de

Danke noch mal an die Pöbel-iP für die Inspiration.

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