Hallo und herzlich Willkommen zu einem neuen Beitrag zum Thema Waffenkunde.
Es gibt ja wirklich viel dummes Zeug im Internet und auch so einigen Unsinn, welcher man sich von Hobbyschützen anhören kann aber nichts davon ist so strunz dumm wie das Leugnen des Gasdrucks in Feuerwaffen. Naja nicht ganz, denn obwohl wir seit Blaise Pascal wissen, dass Gasdruck allseitig ist, wird meist nur eine ganz bestimmte Seite des Drucks geleugnet nämlich der Rückdruck, ergo die Stoßbodenkraft und damit die so ziemlich gefährlichste Kraft in einer Feuerwaffe. Die meisten wissen gar nicht wie nötig wir in Deutschland unsere ganzen Regeln und die Beschussämter haben, bis man es mit einem Rückdruckleugner zu tun bekommt. Aber fangen wir an, den Unsinn wissenschaftlich zu zerlegen.
Literatur
Der Ursprung ist ein bekannter Fehler in der amerikanisierten Waffensprache, wonach Waffen mit Masseverschlüssen zu den Rückstoßladern gezählt wurden. Dieser Fehler wurde leider sehr oft unreflektiert abgeschrieben. Trotz dieses Fehlern in der Benennung, ist die Beschreibung in der Fachliteratur meist richtig und gibt korrekt an, dass Masseverschlüsse vom Gasdruck angetrieben werden.
Rückdruckleugner sind jedoch der falschen Überzeugung, dass die Benennung als Rückstoßlader, für Masseverschlüsse, richtig sei und argumentieren teils sehr aggressiv dagegen, wenn man sie darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies nicht den mechanisch physikalischen Tatsachen entspricht. Ihre Argumentation besteht dabei meist aus Scheinargumenten sowie aus Geschwurbel, das zwar auf den ersten Blick wissenschaftlich klingt aber keiner empirischen Prüfung stand hält. Zudem widersprechen sie, mit dieser Ansicht, folgenden deutschen Fachwerken:
- Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen von Karel Krnka
- Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick über die Handfeuerwaffen und ihre Geschichte von Jaroslav Lugs
- Verschlusssysteme von Feuerwaffen von Peter Dannecker
- Waffen-Schmidt Waffen- und Munitionstechnisches Handbuch von Karl Böhlein, Rolf Brand
- Moderne Faustfeuerwaffen von Gerhard Bock
- Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr von C. Cranz
- Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik von Robert Weisz
- Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch von der Rheinmetall GmbH, Dr. R. Germershausen
- Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik von Thomas Enke
- Waffenlehre für die Bundeswehr von Heinz Dathan
- Die deutschen Militärgewehre und Maschinenpistolen 1871-1945 von Hans-Dieter Götz
- Visier Special Ausgabe 68 P.38 & P1 Die Pistolenfamilie von Matthias S. Reckenwald
- Schützenwaffen Heute (1945-1985) von Günter Wollert, Reiner Lidschun, Wilfried Kopenhagen
- Die offizielle Geschichte der Oberndorfer Firma Heckler&Koch von Manfred Kersten, Walter Schmid
- ...sowie weitere
Das Phänomen existiert im übrigen nur in der deutschen Sprache. Im englischen zählt die Antriebsart Blowback als Unterkategorie von Gas Operation im Gegensatz zur Recoil Operation. Auch das versuchen Rückdruckleugner zwar zu leugnen, stehen dabei aber gegen:
- The World's Assault Rifles von Gary Paul Johnston & Thomas B. Nelson
- Sub-Machine Gun, The Development of Sub-Machine Guns and their Ammunition von Maxim Popenker & Anthony G. Williams
- Engineering Design Handbook - Gun Series - Automatic Weapons vom United States Army Materiel Command
- Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book von Julian S. Hatcher
- The Machine Gun Vol. IV Design Analysis of Automatic Firing Mechanism von Georg M. Chinn
- Tactical Small Arms of the 21st Century von Charls Cutshaw
- ...sowie gegen weitere englische Autoren.
Die Ursache für dieses Verhalten ist wahrscheinlich darin begründet, dass Rückdruckleugner nicht zugeben können und wollen, dass sie jahrelang unrecht hatten. Wir erinnern uns an den von Simon Stolle beschriebenen Gunning-Kruger-Effekt, wonach das Wissen über Waffen zu einem Teil der Persönlichkeit von machen Laien und Endbenutzern wird. Geht nun Jemand her und macht sie auf einen Fehler aufmerksam, so hat das Ego des Rückdruckleugners Angst, dass ein Teil der Persönlichkeit weggerissen werden kann. Dagegen muss sich das Ego des Rückdruckleugners mit allen Mitteln wehren, sie es hat und das sind meist keine sachlichen Argumente, sondern Scheinargumente, persönliche Angriffe auf das Gegenüber und pseudo wissenschaftliches Geschwurbel. Das es Messungen und Zeitlupenaufnahmen der Waffen gibt, wird von Betroffenen einfach weg ignoriert.
Rückdruckleuger verstehen zudem meist nicht, dass es sich bei der Frage um eine naturwissenschaftliche Frage handelt und versuchen mit Argumenten aus anderen Wissenschaftsbereichen zu argumentieren. So versuchen sie es oft mit Axiomen aus Strukturwissenschaften, dem sogenannten Axiomenexport.
Typische Argumente
Rückdruckleugner benutzt, für die Untermauerung ihrer Schwurbelei häufig die immer gleichen Argumente. Die meisten davon Scheinargumente oder Behauptungen ins blaue hinein, in der Umgangssprache auch Lügen genannt.
Es war schon immer so.
Nein, der Fehler stammt hauptsächlich aus den 50er Jahren. Die erste Kategorisierung der automatischen Waffen in der deutschen Sprache von Karel Krnka listet Waffen mit Masseverschluss als Gasdrucklader auf.
In der Mehrheit der Fachliteratur steht...
Nein, es wird zwar manchmal das Wort Rückstoßlader verwendet aber in Fließtext liest man, dass der Gasdruck den Verschluss antreibt. Selbst wenn, so hat eine Mehrheit in einer Naturwissenschaft wenig Gewicht gegen ein Experiment. Es sei an das Buch 100 Autoren gegen Einstein erinnert.
Aber in der Dienstvorschrift steht...
Ja aber in einer anderen Dienstvorschrift steht auch, die P1 sei ein Rückdrucklader und auch das ist physikalisch nicht richtig. Hier wird versucht eine naturwissenschaftliche Tatsache mit einem Axiom aus einer Formalwissenschaft zu belegen, typischen Schwurbler verhalten.
Aber der Hersteller sagt...
Nein, Heckler & Koch haben schon vor Jahren die Drucksache 358 rep.6 herausgegeben und dort klar Stellung bezogen. Warum im Werbematerial was anders steht, sieht man am verhalten der Rückdruckleugner. Die Firmen haben keine Lust sich böse Emails von Schwurblern schicken zu lassen.
Dann gibt es aber gar keine Rückstoßlader...
Doch, die gibt es eine Glock 17 wird ohne Geschoss nicht repetieren, egal wie groß der Gasdruck im Lauf ist.
Es ist doch Egal, ob die Waffe mit Manöverpatronengerät funktioniert und nicht
Nein, ist es nicht, denn genau das ist eines der Experimente zur Kräftefindung, das ist ein der Physik eines der wichtigsten Formen der Erkenntnisgewinnung. Das wissen aber die Schwurbler nicht. Repetiert eine Waffe ohne Geschoss ist sie kein Rückstoßlader.
Was ist mit dem MG42?
Das nutzt ein hybrides Antriebsystem aus Rückstoß und Gasdruck, ohne Rückstoß arbeitet das Gasssystem weiter. Ist aber auch seit Jahren bekannt.
Mathematische Probe
Es existiert eine einfache mathematisch Rechnung, um empirisch adäquat feststellen zu können, ob es sich bei einer Feuerwaffe, um einen Rückstoßlader handelt. In seinem Magnum Opus Philosophiae Naturalis Principia Mathematica definiert Issac Newton die natur Gegenreaktionen im zweiten Teil des dritten Axioms wie folgt:
Actioni contrariam semper et aequalem esse reactionem, sive corporum duorum actiones in se mutuo semper esse aequales et in partes dirigi.
Daraus ergibt sich folgende mathematische Formel:
Actio-Masse × Actio-Geschwindigkeit = Reactio-Masse × Reactio-Geschwindigkeit
Übertragen auf Feuerwaffen:
Geschoss-Masse × Geschoss-Geschwindigkeit = Verschluss-Masse × Verschluss-Geschwindigkeit
Nun setzt man nun die Masse-Werte für die israelische Maschinenpistole Uzi (MP2 bei der Bundeswehr) ein. 6860 Gramm für den Verschluss sowie 8 Gramm für ein durchschnittliches Geschoss einer 9x19 mm Patrone. Gesucht ist die Verschlussgeschwindigkeit ergo der resultierende Impuls der Reactio-Masse. Für die Rechnung nimmt man jedoch einen Geschosstecker im Übergangskonus an, bei welchem sich das Geschoss nicht bewegt. Mathematisch setzt man dazu für die Variable der Geschossgeschwindigkeit eine Null ein.
8 Gramm × 0 = 6860 Gramm × ?
Da Null multipliziert mit einer natürlichen Zahl immer ebenfalls Null ergibt, steht auf der liken Seite ein Wert von genau Null.
0 = 6860 Gramm × ?
Auf der anderen Seite wird mit 6860 Gramm das Verschlussgewicht der Uzi eingetragen. Da Null gleich Null ist, müsste man mathematisch davon ausgehen, dass sich der Verschluss der Uzi bei einem Geschossstecker nicht bewegen dürfte, damit auf der anderen Seite der Gleichung ebenfalls ein Wert von Null steht. Da sich der Verschluss in der Realität trotzdem bewegt, gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder man akzeptiert, dass 0 nicht gleich 0 ist. Dies widerspricht jedoch der wissenschaftlichen Mathematik. Aus diesem Grund muss diese Lösung des Problems als unwissenschaftlich verworfen werden.
0 = ≥1
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass man der Mathematik, damit der Wissenschaft und ihren empirischen Arbeitsmuster treu bleibt und davon ausgeht, dass der Rückstoß, welcher mathematisch gleich Null ist und damit den Verschluss nicht bewegen kann, nicht für die Verschlussbewegung der Uzi verantwortlich ist.
0 = 0
Lösung
Der Verschluss der Uzi Maschinenpistole wird nicht vom Rückstoß, sondern vom Gasdruck angetrieben. Das dritte Axiom nach Issac Newton greift hier nicht, um die Verschlussbewegung zu berechnen. Die richtigen physikalischen Gesetze wären zum einen die Definition des Drucks als:
p = F / A
Druck (p) ist die Kraft (F) geteilt auf die Fläche (A). Umgestellt nach F:
F = p * A
Die Kraft, welche auf den Verschluss wirkt ergibt sich aus dem Druck (p) mal der Fläche (A) des Patroneninnebodens.
Die zweite Formale ist die Definition eines Kraftstoßes als:
i = f / m
Der gesuchte resultierende Bewegungsimpuls (i) des Verschlusses ist gleich der resultierenden Gasdruckkraft (F) geteilt durch die Masse (m) des Verschlusses. Der Verschluss der Uzi wird von der Kraft (f) des Gasdrucks (p) angetrieben und erhält dabei eine Geschwindigkeit anhängig von seiner Masse (m), aus diesem Grund wird das Verriegelungssystem der Uzi wissenschaftlich als Masseverschluss bezeichnet sowie das Antriebssystem als indirekter Gasdrucklader.
Beweis Krummlaufwaffen
Die obere Kanone fährt beim Schuss, durch den Rückstoß der abgefeuerten Kugel, zurück. Die zweite Kanonen, dessen Lauf nach oben gebogen ist, wird jedoch nach unten gestoßen und landet im Dreck.
Rückstoß und Rückdruck wirken, bei Waffen mit krummen Läufen, in unterschiedliche Richtungen. |
Gäbe es keinen Rückdruck, sondern nur Rückstoß, so würden direkte Gasdrucklader mit Krummläufen, wie eine Ruger 10/22 nicht mehr in der Lage sein zu repetieren, da nun der Rückstoß nicht mehr nach hinten auf den Stoßboden wirken würde, sondern seitlich auf die Waffe. Direkte Gasdrucklader (Rückdrucklader) genauso wie indirekte Gasdrucklader (Stg.44 mit Vorsatz P) sind jedoch auch mit gebogenen Läufen oder Krummlaufaufsätze nachwievor in der Lage zu repetieren.
Rückstoßlader, wie die Walther P.38 oder Glock 17 hingegen stellen beim Aufsatz eines Krummlaufes jegliche Repetierfunktion ein. Aus diesem Grund, wird im israelischen Cornershot die gesamte Pistole mit Stoßboden angewinkelt und auf einen Krummlauf für die eingesetzte Pistole verzichtet.
Der Text wird wahrscheinlich nicht reichen, um bildungsferne Hobbyschützen aus ihrer an Verschwörungsmythen grenzenden Sturheit zu holen und ins Licht der empirischen Wissenschaft zu führen aber eventuell fand es ja der ein oder anderen unterhaltsam.
Weitere Grundladen:
Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902
Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912
Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926
Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956
Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977
Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998
Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016
Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021
Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948
The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955
Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970
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