22. Juli 2024

Warum haben M4 und M16 (A1) eine Schließhilfe (Forward Assist)?

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post zum Thema Waffentechnik mit einer großen Portion Waffengeschichte.

Über die Schließhilfe des M16A1 und M4A1 ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Ob sie gut ist und wozu sie überhaupt gut ist, wird und wurde viel diskutiert. Aber die Frage, warum ist sie überhaupt da wird so gut wie gar nicht berührt und wenn, dann heißt es oft fälschlichterweise "Wegen der Probleme in Vietnam".

Und um das schonmal vorweg auszuräumen, die Schließhilfe wurde nicht wegen der Problem in Vietnam eingeführt, denn wenn wir uns den zeitlichen Ablauf ansehen, dann fordert die US-Armee 1963 die Schließhilfe, erst ein Jahr später 1964 kommt es zum Golf von Tonkin Vorfall und erst 1965 landen die ersten regulären Truppen der US-Armee in Vietnam. Zu diesen Zeitpunkt haben schon alle Truppen für den Fronteinsatz das XM16E1 mit Schließhilfe. Die großen Probleme treten erst ab 1966 auf und werden 1967 durch das M16A1 mit hartverchromter Kammer und neuem Puffer behoben.

Aber kurz zu den Nomenklaturen. Das M16 ist die Version der Luftwaffe ohne Schließhilfe. Das XM16E1 ist die Version der US-Armee mit Schließhilfe.

Aber wenn die Schließhilfe nicht wegen der Probleme in Vietnam eingeführt wurde, warum dann?

Ein Blick in die Unterlagen verrät dass die US-Armee folgende Begründung angegeben hat: "Bei jeder bisherigen Waffen, hatte der Soldat die Möglichkeit den Verschluss manuell zu schleißen."

Eine durchaus wahre Aussage, bei M14 und M1 Grand musste man nur den Verschlussgriff nach vorne drücken, um den Verschluss zu schließen. Warum der Armee dies aber so wichtig war, darüber sagt die Fachliteratur zur M16 nichts.

Vertrackter weise finde man die Gründe aber in der Literatur zu einer anderen Waffen, jener der FN FAL. Vielen fragen sich eventuell, was das FN FAL mit der Schließhilfe des M16A1 zu tun hat aber lasst mich erklären.

Bevor das FAL zu den heutigen Formen wie dem FAL 50.00, dem britischen L1A1 oder dem deutschen G1 (FN Gewehr) wurde, war es das T48, welches in den USA im Wettbewerb mit dem T44 stand. Wobei aus dem T44 später das M14 hervorgeheben wird.

Wie eventuell bekannt ist, waren die USA dem belgischen Gewehr sehr skeptisch gegenüber. Was auch zu dieser Zeit verständlich ist, denn der Kalte Krieg konnte schon morgen heißt werden und deswegen war es besser morgen ein gutes Gewehr zu haben, als übermorgen ein besseres. Zudem war das T48 deutlich unausgereifter als das spätere FN FAL, welches der rechte Arm der freien Welt, werden wird.

Die voreingenommenen oder, gelinder ausgerückt, die vorsichtigen Tester bemängelten alles am T48, was das T44 konnte. Bei arktischen Versuchen mit Wasser, das über und in die Waffen gegossen wurde, während deren Verschlüsse offen standen brachten eine interessante Fehlfunktion des T48 zu Tage. Dabei fror der Verschluss im inneren des Waffengehäuses fest und ließ sich nicht mehr nach vorne bewegen, ergo auch nicht schließen.

Das FN FAL treibt eine
Stange in seinen Kolben
Ein intuitives Zerlegen der Waffen, um diesen Überstand zu beseitigen, war jedoch nicht möglich.
Schuld daran war die alte Schließfeder der FN FAL zu diesem Zeitpunkt, diese befand sich vollständig im Kolben der Waffe. Der Verschluss war mit einer Übertragungsstange mit dieser Feder verbunden. Bewegte sich der Verschluss nach hinten, so drückte diese Übertragungsstange auf die Feder. Befand sich nun der Verschluss in der hinteren Position, so ragte diese Stange vom Verschluss aus in den Schaft. Versuchte nun ein Schütze, die Waffe zu zerlegen, so funkgierte die Stange als eine Art Sperre, welche das trennen der Gehäusehälften verhinderte. Die T48 konnten erst wieder zerlegt werden, als das Eis geschmolzen war. Es gab kaum eine Möglichkeit Gewalt auf den Verschluss des T48 auszuüben, um dessen Verschluss nach vorne zu zwingen.

Zum zerlegen des FN-FAL muss 
das Gehäuse abgeklappt werden
Aus diesem Grund bekam das T48 einen mit dem Verschlusskoppelbaren Durchladegriff, welcher
seinerseits jedoch das Gewicht der Waffe erhöhte und bei Verschmutzung nicht mehr einwandfrei funktionierte. Das T48 unterlag dem T44, wenn auch aufgrund vieler anderen Details und das T44 wurde als M14 offiziell eingeführt.

Für uns interessant dabei ist, dass diese Ereignisse dazu geführt haben, dass die US-Armee ab da an der Meinung war, dass der Schütze den Verschluss einer Waffen zu jeder Zeit nach vorne zwingen können muss.

Als das AR-15 aufkam, war dieses für die meisten Verantwortlichen in vielen Punkten so neu, dass man, nicht immer komplett unberechtigte, Vorbehalte gegen die Waffe hatte. 

Einer davon war der wieder hervorgeholte Punkt, dass das schließen des Verschlusses das AR-15 01 (Colt M601) nur durch die Schließfeder bewerkstelligt wurde und der Schütze den Verschluss nur schwer in die vorderste Position bringen konnte, auch denn der Verschluss außen eine kleine Mulde hatte, in welcher der Schützen mit dem Daumen eingreifen konnte.

Die Kralle der Schließhilfe
hat keinen Einschnitt unter sich
Kenner das AR-15-Systems werden jetzt anmerken, dass man einen in hinterster Position feststehenden
Verschluss gar nicht mit der Schließhilfe (Forward Assist) nach vorne bringen kann, da die Kralle der Schließhilfe sich in dieser Position auf Höhne der Daumenmulde mit den Gasentlastungsbohrungen befindet und dort Wort wörtlich nichts zu greifen hat.

Das ist natürlich Korrekt und man kann vermuten, dass die Geschichte mit den FN FAL, den arktischen Test und den gesperrten Gehäusen in Vergessenheit geraten war, auch wir haben diese Geschichte erst nach Jahren gefunden, und die Verantwortlichen nur noch die Information hatten, dass eine Waffe eine Schließhilfe haben muss und nicht warum sie die haben muss. Beziehungsweise, die Begründung, dass jede US-Waffe bis dato eine besaß.

Eigentlich ironisch, wenn man bedenkt, dass man ein AR-15-System mit hinten festgefrorenem oder anderweitig stecken gebliebenen Verschluss noch schwerer wird trennen können als ein FN FAL mit diesem Übelstand.

Grafiken aus: World of Guns: Gun Disassembly

Quellen:

  • The FAL Rifle Classic Edition von R. Blake Stevens 
  • The FN-FAL at al. von Duncan Long
  • Misfire, the tragic failure of the M16 in Vietnam von Bob Orkand & Lyman DurzeaThe 
  • Black Rifle, M16 Retrospective von R. Blake Stevens & Edward C. Ezell

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