29. Mai 2024

Funktion einer Waffe mit Vorlaufzündung

 Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post aus dem Bereich der Waffentechnik. Heute sehen wir uns die Funktion einer Waffen mit echter Vorlaufzündung an. Bedeutet, die Zündung beschied wirklich noch während des Vorlaufes und nicht erst danach, wenn der Verschluss bereits zum stehen gekommen ist.

Weil es immer wieder zu Verwechslungen kommt, hier nochmal der deutliche Hinweis, dass so gut wie keine bekannte Handfeuerwaffe echte Vorlaufzündung verwendet. Die meisten günstigen Maschinenpistolen wie Uzi, Sten, PPSch-51 oder Thompson M1A1 zünden durch ihren Verschlussvorlauf, nicht während diesem. Eine Ausführliche Erklärung des Unterschiedes findet sich am Ende des Posts.

Aber nun zur Erklärung, denn im Gegensatz zur ''Zündung durch Vorlauf'' ist die '''Zündung während des Vorlaufes''' (eng. Advanced Primer Ignition) verriegelungsrelevant. Durch eine spezielle Einrichtung, wird die Patrone bereits gezündet, noch bevor der Verschluss in seiner vordersten Position angekommen ist. Dadurch müssen die Stoßbodenkräfte, vor allem der Gasdruck, nicht nur die Masseträgheit des Verschlusskörpers überwinden, sondern zusätzlich gegen dessen nach vor gerichteten Bewegungsimpuls ankämpfen, um diesem jetzt endlich zu einer Bewegung nach hinten zu zwingen.

Eine Zündung während des Vorlaufes ist nur möglich wenn, zum einen der Zündstift zu einem genau bestimmten Zeitpunkt auf das Zündmittel der Patrone trifft. Zum anderen muss dem Zündstift ein Gegenlager geboten werden, damit sein auftreffen auf das Zündmittel nicht einfach zu einem ''nach vorne schieben'' der Patrone führt.

Die Waffe befindet sich in Ruhe, eine Patrone ist jedoch bereits aus dem Patronenvorrat entnommen worden und wird von den Auszieherkrallen (dunkelrot) des Verschlusses (rot) gehalten. Der Verschluss (rot) befindet sich in hinterster Stellung und wurde gegen die Verschlussfeder gespannt.

Der Bewegungsimpuls beträgt zu diesem Zeitpunkt 0, der Gasdruck in der Patrone beträgt mit 1 bar in etwas den Druck der Umgebungsluft.


Der Schütze hat den Abzug abgekrümmt, der Verschluss (rot) beginnt seinen Weg nach vorne. Angetrieben wird er dabei von seiner Schließfeder. Bei seinem Vorlauf stößt die Zündwippe (grün) des Verschlusses (rot) auf eine gehäusefeste schräge Ebene (cyan), die Zündwippensteuerkurve. Diese zwingt die Zündwippe, zur einer Rotation, welche den Zündstift (schwarz) langsam in Richtung Zündhütchen zwingt.

Der Bewegungsimpuls des Verschlusses ist nun hoch, der Gasdruck liegt noch bei 1 bar.

Der Verschluss (rot) setzt seinen Vorlauf weiter fort, dabei wird die Zündwippe (grün) von der gehäusefesten Steuerkurve (cyan) soweit zur Rotation gezwungen, dass der Zündstift (schwarz) in das Zündhütchen der Patrone (messingfarben) gedrückt wird. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Auszieherkrallen (dunkelrot) die Patrone an ihrem Platz halten, wären diese nicht vorhanden, würde die Patrone einfach nach vorne weg gedrückt werden.

Es kommt zur Zündung der Patrone, da sich jedoch der Gasdruck in der Brennkammer der selbigen erst entwickeln muss, setzt der Verschluss seinen Vorlauf noch ein wenig fort.

Der Bewegungsimpuls des Verschlusses ist nach wie vor hoch, der Druck in der Patrone steigt, kann aber vorerst wenig ausrichten, da die Patrone erst noch ein geschlossenes System darstellt.

Das Geschoss hat den Mund der Patronenhülse verlassen, die Gasdrucksäule im Lauf ist nun in der Lage, sowohl das Geschoss durch den Lauf zu treiben als auch die Patronenhülse nach hinten. Ursache dafür ist die Allseitigkeit des Drucks in Geschlossenen Räumen nach den Gesetzen von Blaise Pascal.

Der auf die Patronenhülse ausgeübte Druck versucht diese nach hinten aus der Patronenkammer heraus zu treiben, diese wird jedoch vom Verschluss (rot) abgestützt. Diese besitzt jedoch zu diesem Zeitpunkt immer noch einen nach vorne gerichteten Bewegungsimpuls, welcher zunächst vom Gasdruck überwunden werden muss. Ist dies geschehen, besitzt der Verschluss (rot) für einige Sekundenbruchteile eine Geschwindgeit von genau 0. Er bleibt kurz stehen, bevor er seine vorderste Position erreichen kann. Der stehende Verschluss besitzt, zwar keinen Bewegungsimpuls mehr, jedoch noch einen Ruheimpuls entsprechend seiner Masse. 

Ab dem Zeitpunkt seines Zwischenstopps, verhält sich ein Verschluss mit ''Zündung während des Vorlaufes'' genau wie ein regulärer Masseverschluss. Der Gasdruck treibt nun den Verschluss nach hinten, wobei die Patronenhülse wieder aus dem Patronenlager herausgezogen und schließlich ausgeworfen wird. Dabei zieht sich der Zündstift meist aus Sicherheitsgründen wieder aus dem Stoßboden zurück.

Vorteile und Nachteile

Das große Vorteil des Systems ist, dass man durch ''Zündung während des Vorlaufes'' den Verschluss deutlich leichter konzipieren kann als bei reinen Masseverschlüssen. Je nach Gasdruck der verwendeten Patronen und der Verschlussvorlaufgeschwindigkeit, lässt sich das Gewicht um bis zu 66% verringern. Da die Vorlauf Geschwindigkeit eine derart große Bedeutung für das System darstellt, werden meist sehr potente Verschlussfedern verbaut. Die Verschlussfeder der 20 mm Oerlikon Maschinenkanone muss entweder von drei Mann oder durch ein Spannseil mit starker Hebelwirkung gespannt werden.

Der große Nachteil des Systems ist zum einen die aufwändige Zuführung. Aus dem Patronenvorrat entnommene Patronen müssen umfassend ergriffen werden und gegen den Stoßboden fixiert werden, um dem Zündstift ein Gegenlager zu bieten. 

Zu anderen muss die Munition sehr sorgfältig produziert werden. Sollte es zu einem Spätzünder kommen, bei welchem ein abgeschlagenes Zündhütchen erst zeitlich verzögert die Treibladung entzündet, so wird es vorkommen, dass der Verschluss seinen Vorlauf bereits abgeschlossen hat. Vorne an- und zum stehen gekommen, würde sich der Verschluss wie ein normaler Masseverschluss verhalten, hätte jedoch für den Druck der Patrone nicht die nötige Masse. Die sichere Verschlussgeschwindigkeit würde überschritten werden.

Verschlüsse mit ''Zündung während des Vorlaufes'' haben zudem ein Problem mit der S-Strecke mancher Patronen und setzen deshalb meist zwingend besondere Munition voraus. Ist dies nicht möglich, so müssen entsprechende Waffen mit verlängerten Patronenkammern ausgestattet werden, welche eine Patrone auch dann schon umfänglich abstützen, auch wenn diese noch nicht vollständig in das Patronenlager eingeführt wurde.

Waffen die nachweisliche keine echte Vorlaufzündung besitzen

Immer wieder wird vor allem in Sachbücher] einfachen Maschinenpistolen wie der israelischen Uzi eine ''Zündung während des Vorlaufes'' nachgesagt. Dies ist jedoch durch aktuelle Zeitlupenaufnahmen und zeitgenössische Experimente widerlegt worden.

Für das Experiment wurden 30 Schuss im Einzelfeuer aus einer Uzi-Maschinenpistole regulär abgegeben. Danach wurde ein blinder Auszieher verbaut, die Patronen einzeln in die Patronenkammer der Waffe gelegt und abgefeuert. Da keine schnellere Verschlussrücklaufgeschwindigkeit gemessen wurde, ist dazu auszugehen, dass die Patronen erst bei vollständiger Einführung in die Patronenkammer zünden und nicht schon während des Vorlaufes.

Grundlagen:

Die principiellen Eigenschaften der automatischen Feuerwaffen, Karel Krnka, 1902

Die Handfeuerwaffen Ihre Entwicklung und Technik, Robert Weisz, 1912

Innere Ballistik. Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr, C. Cranz, 1926

Handfeuerwaffen, Systematischer Überblick, Jaroslav Lugs, 1956

Rheinmetall Waffentechnisches Taschenbuch, Dr. R. Germershausen, 1977

Waffenlehre - Grundlage der Systemlehre, Wolfgang Pietzner, 1998

Verschlusssysteme von Feuerwaffen, Peter Dannecker, 2016

Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, Thomas Enke, 2021

Hatcher's Notebook, A Standard Reference Book, Julian S. Hatcher, 1948

The Machine Gun Analysis of Automatic Firing Mechanism, Georg M. Chinn ,1955

Engineering Design Handbook Automatic Weapons, USA Materiel Command, 1970

24. Mai 2024

Die kurze Geschichte der 7,92x57mm Patrone

7,92x57mm sS (ganz links)
Hallo alle zusammen und herzlich Willkommen zu einem neuen Post zum Thema Waffenkunde oder in diesem Fall Munitionskunde. Es geht um die deutsche 7,92x57mm Patrone in ihrem einzelnen Entwicklungsschritten von der M88 bis zur schweren Spitzpatrone sS.

Bereits ab 1870 wollte die Gewehrprüfkommission die damalige M71 Patrone (11 x 60 mm R) durch eine moderne Patrone mit kleinerem Kaliber ersetzen. Tests mit Bleigeschossen ergaben jedoch, dass es bei einem Kaliber unter 11 mm zu starken Bleiablagerungen in gezogenen Läufen kam. Auch Versuche mit Hartbleigeschossen, verlauten lediglich eine Reduzierung auf 9 mm. Erst eine Ummantelung der Geschosse ermöglichte ein Kaliber von 8 mm. Aus diesem Grund, entschied man sich für die Entwicklung einer Patrone mit 8 mm Geschoss. Damalige M71 Gewehre, sollten als M71/84 auf 8 mm Kaliber umgerüstet werden, als Hülse war zunächst eine eingezogene Version der 60 mm langen M71 Patrone geplant.

Der 8mm Lebel Schock

Die Franzosen, der damalige Erzfeind des deutschen Kaiserreiches, führte 1884 mit dem Poudre B erstmal rauchschwaches Pulver in einer Infanteriepatrone ein, welche die Leistung enorm steigerte. Als die Waffe im deutschen Kaiserreich bekannt wurde, war dies ein Schock für das damalige Militär und man verlange sofort die Entwicklung einer ebenbürtigen deutschen Waffe für rauchschwaches Pulver.

M88 Patrone

Die Folge des Lebel Schocks war eine viel zu hastige Entwicklung einer eigenen Patrone. Man verwendete das Kaliber 8 mm, da man dieses zuvor für das geplante M71/84 getestet hatte. Zudem verwendete man eine randlose Hülse aus der Schweiz, welche nach ihrem Entwickler Rubin-Hülse genannt wurde. Als Geschoss wählte man ein langes Rundkopfgeschoss mit großer Masse. Der Grund war die damalige Ansicht, dass ein Geschoss eine möglichst große Querschnittsbelastung aufweisen sollte, um die nötige Stoppkraft gegen die Pferde der Kavallerie zu besitzen.

Das Geschoss sollte im Gegensatz zur M71 eine reine Pressführung erhalten, dabei besitzt ein Geschoss ein Leicht größeres Kaliber als der Lauf der Waffe. Durch das Einpressen in die Züge und Felder wird das Geschoss verformt und erhält so seine Führung. Das M71 hingegen besaß eine Stauchführung, dabei besaß das Geschoss ein mit dem Lauf identisches Kaliber, es wurde jedoch aufgrund seiner länglichen Form und seines Beharrungsvermögens gestaucht und so in die Züge und Felder des Laufes eingepresst.

Die passende Waffen wurde von einer Kommission aus verschiedenen deutschen Waffenentwicklern unter der Oberaufsicht der Gewehrprüfkommission entwickelt. Das Ergebnis wurde das Gewehr Modell 1888 (G88) auch Kommissionsgewehr genannt.

M88 .*. Patrone und *-Patrone

Aufgrund der überhasteten Einführung, ergaben sich immer wieder Probleme. Das erste Problem war ein zu kleiner Geschossraum. Beim setzen der Geschosse, während der Produktion oder dem Wiederladen, konnte sich der Hülsenmund weiten und reißen. Abhilfe schuf die .*.-Patrone (Punkt-Astrix-Punkt) mit erweitertem Geschossraum. Patronen mit nachträglich erweitertem Geschossraum erhielt die Bezeichnung *-Patrone (Astsrix Patrone).

M88 n/A Patrone

Auch der erweiterte Geschossraum führte nicht auf Dauer zur Lösung des Problems, denn auch hier zeigten oft sich feine Risse. Die Lösung bestand in dem Glühen des Hülsenmundes. Durch diese Methode, konnte der Geschossraum sogar wieder die ursprünglichen Maße der M88 bekommen. Die Patrone mit geglühter Hülse erhielt die Bezeichnung Patrone M88 n/A (neue Art).

M88 n/A Pulver 436

Das ursprüngliche Pulver der M88, welches Essigäther als Geliermittel verwendete, hatte die schlechte Eigenschaft sich nach langer Lagerung zu verschärfen. Überlagerte Patrone hatten demnach nicht übliche die Eigenschaft, über Zeit an Gasdruck zu verlieren, sondern zu gewinnen. Da dies durchaus gefährlich sein konnte, änderte man das Pulver zum Pulver 436, welches Schwefeläther als Geliermittel verwendete.

M88/E Einheitspatrone

Als erste Versuche mit im Ausland gekauften Maxim Maschinengewehren durchgeführt wurden, wurden einige dieser Waffen auf die deutsche M88 n/A Patrone umgerüstet. Dabei stellte sich heraus, dass immer wieder zu Abrissen der Hülsenböden kam. Um das Problem zu beheben, wurde die Gewehrprüfkommission damit beauftragt eine Einheitspatrone für Repetiergewehre und Maschinengewehre zu schaffen. Das Ergebnis war 1901 die Einführung der M88/E mit 71/28 Messinglegierung, welche den Belastungen bei der Selbstladefunktion der Maschinengewehre standhielt.

Belastung der Läufe (Militär)

Aufgrund der hektischen Einführung der Patrone, hatte man beim Geschoss vor allem auf eine große Querschnittsbelastung wert gelegt. Das Resultat war ein sehr langes und schweres Rundkopfgeschoss. Zudem hatte man vergessen, neben der gewünschten Pressführung auch die Tauchführung zu berechnen. Das Lange Rundkopfgeschoss stauchte sich wie das M71 Geschoss und nahm so im erstrebten Kaliber deutlich zu. Ergebnis war eine starke Belastung der Gewehrläufe und ein entsprechend schneller verschleißt der Züge und Felder. Dieses Problem wurde 1896 adHoc durch das schneiden tieferer Züge behoben.

Mangelnde Präzision (Jagd)

Ab 1890 wurde die Patrone M88 auch für die Jagd verwendet. Dort stellte sich die Präzision der M88 jedoch als ungenügend heraus. Büchsenmacher, wählten als Lösung ein neues deutlich engeres Laufprofil. Damit ging man im zivilen Bereich den genau umgekehrten Weg. M88 Patronen konnten, zu diesem Zeitpunkt, sowohl aus weiteren Militär, als auch aus engeren Jagdbüchen verschossen werden.

S-Patrone

Unzufrieden mit der M88/E arbeitete die Gewehrprüfkommission ab 1898 an einem besseren Geschoss. Hauptverantwortliche war eine Gruppe um den Hauptmann Thorbeck, dieser erstellte eine Vielzahl an Geschossen, welche alle mit einem Buchstaben, für die Geschossform, und einer fortlaufenden Nummer bezeichnet wurden. In umfangreichen Tests stellte sich das S-2 Geschoss (Spitz No.2) als das beste heraus. Ein kurzes Spitzgeschoss mit geradem Heck und 9,8 g Gewicht. Das lange schwere S-4, welches deutliche Ähnlichkeiten zum späteren sS-Geschoss hatte, wurde als zu langsam und zu teuer in der Fertigung abgelehnt.

Das S-2 hatte einen deutlich kürzeren Führungsteil sowie eine deutlich geringere Querschnittsbelastung, als das M88 Geschoss. Das S-2 neigte es dazu, im Ziel zu taumeln oder sogar dazu sich zu überschlagen. Damit würde ihm eine gute Stoppwirkung, auch gegen Pferde, attestiert. Zudem wurde seine Durchschlagskraft gelobt. Eine Eigenschaft, der zu diesem Zeitpunkt größere Bedeutung beigemessen wurde als noch 1888.

Aufgrund seiner kurzen Bauweise wurde das S-2 Geschoss, im Gegensatz zum M88, kaum noch im Lauf getaucht und besaß wirklich eine reine Pressführung. Was eigentlich ein Vorteil hätte sein können, erweis sich als Nachteil, denn bereits zehntausende Waffen G88 und G98 waren mit tieferen Zügen ausgestattet worden, um M88 Geschosse mit kombinierten Press- und Stauchführung verschießen zu können. Um aus diesen Waffen verschossen werden zu können, erhielt das S-2 ein mit 8,22 mm um 0,2 mm größeres Geschosskaliber. Um das S-2, später vereinfacht nur noch S-Geschoss, verladen zu können, müssten die M88/E Hülsen einen weiteren Mund bekommen. Die geänderten Hülsen würde als S-Hülsen bezeichnet.

Die Kaliberänderung verlange ein Umändern der Waffen. Dazu wurden die Patronenlager von G88 und G98 mit Speziellen Reibahlen auf das neue Maß gerieben. In nicht geänderte G88 und G98 konnte die neue S-Patrone nur mit Gewalt eingeführt werden, gelang dies, könnte die Patrone jedoch gefahrlos verschossen werden. Geänderte G88 erhielten die Beziehung G88S, geänderte G98 sind daran zu erkennen dass deren Lange-Visier bei 400 Metern beginnt, zuvor waren es 200 Meter. Geänderte G88 und G98 können die alte M88 Patrone verschießen, beim Zielen muss jedoch eine um 300 Meter höhere Einstellung verwendet werden.

Zudem wurde ein nun zweibasiges Pulver mit der Bezeichnung 682b verladen, welches deutlich mehr Leistung brachte. Im Zuge der Entwicklung, wurde es später vereinfacht S-Pulver genannt. Dieses besaß einen höheren mittleren Gasdruck, jedoch einen geringeren maximalen Gasdruck (Pmax).

Die S-Patrone wurde auf drängen Kaiser Wilhelms II im geheimen 1903 eingeführt. Erst 1905 geschah dies öffentlich. Mit der Einführung der S-Patrone erscheint das erste mal das Nennkaliber 7,92x57mm, um Verwechslungen mit französischen 8 mm Lebel Beutewaffen zu vermeiden.

SmK-Patrone

Zur Bekämpfung von Schützenschilden und Flugzeugen, wurde während des Ersten Weltkrieges eine Spezialpatrone mit der Bezeichnung Spitz mit Kern, kurz S.m.K., eingeführt. Diese besaß einen gehärteten Stahlkern, ein Gewicht von 11,5g und ein Torpedoheck. Zudem war es deutlich länger als das S-Geschoss der S-Patrone.

Inkompatibilität mit der M88 Jagd

Aufgrund des größeren Kalibers des S-2 Geschosses der S-Patrone ergeben sich erhebliche Probleme, wenn diese aus einer Jagdwaffe mit engeren Zügen verschossen wird. Dieses Problem trat das erste mal zu tage, als im Ersten Weltkrieg, zivile Jagdgewehre an Scharfschützen ausgegeben wurden. Diese enggezogenen Waffen durften nicht mit der S-Patrone, sondern nur mit der M88/E oder älter geladen werden. Aus Sicherheitsgründen, wurden an entsprechenden Waffen Plaketten angebracht, welche vor der Verwendung von S-Munition warnten.

sS Patrone

Schon während des ersten Weltkrieges, wurde ab August 1918 auch eine Patrone mit 12,8 schwerem Geschoss verwendet. Jedoch kam diese nur in schweren Maschinengewehren zum Einsatz, um deren Reichweite zu erhöhen. Das schwere Spitz-Geschoss, kurz sS, besaß zwar, wie das S-4 der Thorbeck-Gruppe, eine geringere Mündungsgeschwindigkeit, jedoch ab 400 Meter eine größere Endgeschwindigkeit als das S-Geschoss. Es war zudem deutlich länger und besaß ein Torpedoheck.

Nach Kriegsende verwendete die Reichwehr der Weimarer Republik sS-Patronen ausschließlich für Maschinengewehre und S-Patronen für Gewehre und Karabiner, was die Logistik erschwerte.

1924 unternahmen die Tschechen erste Versuche mit schweren Geschossen in Infanteriegewehren und verkürzten Universalgewehren. Dabei stellte sich heraus, dass das Universalgewehr vz.24 mit schwerem Geschoss nicht mehr so stark an grellem Mündungsfeuer und lautem Mündungsknall litt, wie bei Verwendung des S-Geschosses. Die Folge war, das viele Staaten nun Mausergewehre mit mittlerer Länge den langen Infanteriegewehren vorzugen. Es worden nun sogar deutlich kürzere Waffen wie der vz.33 (später G98/29) möglich.

Nach der Machtergreifung in Deutschland und im Zuge der Widerbewaffnung, wurde zunächst 1934 die Produktion der S-Patrone gestoppt. Vorhandene Vorräte wurden zum Übungsschießen verwendet. 1935 wurde mit dem Kar98k ein Universalgewehr für die sS-Patrone eingeführt.

Bezeichnungen I und IS

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde die Anzahl an Kriegswaffen im Deutschen Reich deutlich begrenzt. Der private Besitz von Waffen für Militärpatronen wurde verboten. So verschwanden Jagdwaffen für die M88 offiziell aus dem privatem Besitz. Erst als sich ab 1933 die Situation änderte, tauchten diese wieder auf und wurden zur Jagd verwendet.

Zudem brachten einige Waffenhersteller Modelle auf den Markt, welche für die S-Patrone eingerichtet waren, wie den Sauer K18 von Sauer und Sohn. Das Problem bestand nun darin, dass die alten Waffen für die M88 Patrone und die neuen für die S-Patrone auf dem Papier mit 7,92x57mm die gleiche Patrone verschossen, jedoch zu einander inkompatibel waren. Der Grund dafür waren die engeren Züge vielen ziviler Jagdwaffen, im Vergleich zu den erweiterten Zügen militärischer M88 und S-Patronen Waffen.

Im besten Fall lies sich eine S-Patrone nicht gewaltlos in das Patronenlager einer M88 Jagdbüchse einführen. Im schlechtesten Fall konnte die S-Patrone zwar eingeführt und sogar geründet werden. Folge war meist eine Waffensprengung. Ursache dafür war meist eine Kombination aus dem größeren Kaliber der S-Patrone, dem engeren Laufprofil der M88 Jagdbüchsen und dem Leistungsfähigeren 682b Pulver der S-Patrone.

Um Unfälle zu vermeiden, wurde 1939 eine Normierungsorder herausgegeben, welche die jagdlich modifizierte M88 Patrone und ihre Büchsen unter der Zeichnung I (Infanterie) zusammenfasste. Auf der anderen Seite wurden Patronen und Büchsen für S- und sS-Patrone als IS (Infanterie Spitz) zusammengefasst.

Grund war auch, dass selbst 1939 bei Kriegsbeginn noch zivile Jagdgewehre von Scharfschützen verwendet wurden und eine Unterscheidung zwischen der modifizierten M88 und der sS-Patrone dringet nötig war.

Falschbezeichnung 8x57 mm Jagd Stark

Nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, gelangen eine Menge Waffen für die Patrone 7,92x57mm sS in die Hände der US-Amerikaner, welche die Waffen ausgiebig analysierten. Dabei wurde die Waffen nicht als 7,92 mm, sondern als 8mm klassifiziert. Da in den USA, das Kaliber nicht nach dem Feld-Feld, sondern dem Zug-Zug-Kaliber gemessen wird, ergaben sich anderen Messwerte. Nach eine Abrundung wurde das Kaliber als 8 mm Mauser bezeichnet, obwohl Mauser mit der Entwicklung der Patrone nichts zu tun hatte.

Da den meisten Amerikanern die damals in deutschen Dokumenten verwendete Frakturschrift unbekannt war, wurde das (I für Infanterie) als J gelesen und entsprechend eingetragen. Dies führte zu den falschen Bezeichnungen J und JS. Laien behaupten oft, das J würde dabei für das Wort Jagd stehen.

Für Anfänger existiert eine immer wieder angebotene Eselsbrücke, bei welcher das S bei IS fälschlicherweise als stark denn als spitz gelesen wird. Auf diese Weise soll sich der Laie, den Unterschied durch das größere Kaliber der IS besser merken können. Aus diesem Grund, hört man bei Laien häufig die Behauptung, IS/JS stände für Infanterie stark/Jagd stark. Dabei handelt es sich jedoch um Irrtum, den selbst jagdliche Fachliteratur wie Alles über Munition für Jagdwaffen in Theorie und Praxis von Wolfgang Rausch bezeichnet Auf Seite 25 die S-Patrone als Spitz. Auch im Waffenrecht findet sich der Ausdruck stark nicht, so wird im Standardwerk Waffenrecht Band 2: Waffenkunde, Munitionskunde von Andreé Busche IS als Infanterie Spitz erklärt.

Es handelt sich demnach um eine weitere war gewordene Eselsbrücke.

Grundlagen:

  • Mauser Military Rifles von Niel Grant
  • Die deutschen Militärgewehre und Maschinenpistolen 1871-1945 von Hans-Dieter Götz
  • Mauser Rifles Vol. 1 1870-1918 von Luc Guillou
  • Mauser Rifles Vol. 2 1918-1945 von Luc Guillou
  • Waffensammeln Waffen-Technik 1/87 Karabiner 98 K unter Christian Schönfeld
  • Die Handwaffen des brandenburgisch-preußischen Heeres 1640-1945 von Werner Eckhardt & Otto Morawietz
  • Patronen des 20. Jahrhunderts von J. Lenselink, H.E. Wanting, W.D. de Hek
  • Gewehr & Karabiner 98, Die Schußwaffen 98 des deutschen Reichsheeres von 1898 bis 1918 von Dieter Stolz
  • Mauser Bolt Rifles von Ludwig Olsen
  • Waffen Revue Nr.1 Juni 1971 unter Karl R. Pawlas
  • Alles über Munition für Jagdwaffen in Theorie und Praxis von Wolfgang Rausch
  • Visier Special Ausgabe 56 Repetierfamilie System 98 unter Matthias S. Reckenwald